Das Lobby-Paradoxon – Interview mit Isabella Pfaff, Vorsitzende des DPRG Expertenkreises Public Affairs
Lobbyarbeit in Deutschland ist besser und professioneller als ihr Ruf. Das zeigt das Meinungsbild, das der DPRG Expertenkreis Public Affairs im Juli bis September 2025 bei allen Mitgliedern der DPRG und allen Angeordneten des Deutschen Bundestages abgefragt hat.
Tatsächlich ist es die allererste Umfrage zum Thema Lobbyarbeit in Deutschland, bei der Abgeordnete des Deutschen Bundestages befragt wurden. Die Ergebnisse liegen nun im kürzlich veröffentlichten Policy Paper III des Expertenkreises vor.
In einem Interview mit Isabella Pfaff, der Vorsitzenden des Expertenkreises Public Affairs, erfahren wir mehr über den Anlass und Ergebnisse der Umfrage.
Was war Anlass und Hintergrund für den Expertenkreis Public Affairs, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und dazu eine Umfrage zu machen? Wir haben im Februar 2025 einen neuen Bundestag gewählt. Eine wunderbare Gelegenheit für uns, ein Stimmungsbild einzuholen, wie neue und junge Abgeordnete zum Thema Lobbyismus stehen. Wir waren einfach neugierig. Und es stellte sich heraus, dass tatsächlich noch nie jemand in den 76 Jahren davor auf die Idee kam, die Angeordneten nach diesem Thema zu befragen, obwohl sie doch jeden Tag mit Lobbyismus zu tun haben.
Bei Lobbyumfragen in Deutschland werden in der Regel immer diejenigen befragt, die am wenigsten in diesen Prozess eingebunden sind, am wenigsten aktiv damit zu tun haben und am wenigsten darüber wissen: Die Bevölkerung. Entsprechend sind dann die Antworten. Entsprechend schlecht ist der Ruf.
Was waren die wichtigsten Ergebnisse?Lobbyismus hat zwar in Deutschland einen schlechten Ruf - aber einen guten Leumund. Das heißt: Ruf und Wertschätzung fallen diametral auseinander. Wir haben es das „Lobby-Paradoxon“ genannt. Lobbyismus wird von beiden Seiten als legitimer und integraler Bestandteil der Demokratie gesehen. Das sagen 74 Prozent der Abgeordneten und 94 Prozent der befragten Mitglieder der DPRG. Die Umfragedaten dokumentieren eine bemerkenswert große Übereinstimmung in den grundlegenden Einschätzungen zu zentralen Fragen des Lobbyismus und bei den Spielregeln des politischen Systems. Das ist ein signifikanter Indikator für die Funktionsfähigkeit, Stabilität und Legitimität des deutschen politischen Systems.
Welche Ergebnisse haben Euch überrascht, und was war absehbar?Positiv überrascht hat uns, dass der Hinterzimmer-und Adressbuch-Lobbyismus anscheinend vorbei ist. Was heute zählt, ist Professionalität und Fachwissen. Abgeordnete suchen sich Lobbykontakte zu 81 Prozent danach aus, ob der Lobbyist und seine Informationen von Nutzen für die politische Arbeit sind. Parteifreundschaft zählt mit 11 Prozent so gut wie gar nicht. Und Prominenz mit 15 Prozent der Nennungen auch nicht.
Absehbar war zwar, dass Lobbyisten schon mal aufgrund ihrer Tätigkeit angefeindet werden, dass aber über 40 Prozent aller DPRG-Mitglieder mit Anfeindungen regelmäßig oder öfters schlechte Erfahrungen gemacht haben oder machen, war dann doch eine überraschend hohe Zahl.
Wie ist die Umfrage einzuordnen und welche Forderungen bzw. Handlungs-empfehlungen leitet ihr daraus ab?Es ist ein Anfang. Wir wollen das jetzt alle zwei Jahre wiederholen. Die Antwort-Rückläufe waren jetzt zu Beginn etwas geringer als erwartet. Geantwortet haben 38 Agenturen und Public Affairs-Verantwortliche. Vier davon haben wir in langen Interviews auch qualitativ befragt. Und 27 Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Aber es ist ein Meinungsbild, eine Expertenstichprobe mit hoher Relevanz und Konsistenz in den Antworten. Wissenschaftliche ausgewertet von Dr. Heintze von der Faktenkontor-Gruppe in Hamburg.
Unsere Forderung/Handlungsempfehlung: Ein moderner Lobbyist trägt zum politischen Mehrwert bei. Er braucht Fachwissen und Professionalität. Das berühmt-berüchtigte Adressbuch kann er zu Hause lassen. Dann findet er offene Türen im Bundestag.
Herzlichen Dank für das Interview und für die Erstellung des Papiers.
Das Policy Paper III (inklusive Umfrageergebnisse) kann
kostenlos auf der DPRG-Website bestellt werden.