Zeit zu sprechen. Am Donnerstag in Stuttgart.
Der Deutsche PR-Tag 2025 am 22. Mai fällt in eine ungebrochen bewegte Zeit. Wie stehen wir zu Aspekten, die jahrelang Strategien bestimmten und jetzt als „woke“ abgekanzelt werden? Und ist „Haltung zeigen“ wirklich Gift fürs gesellschaftliche Klima, wie Olaf Hoffjann meint?
Corporate Social Advocacy (CSA): Medizin, Placebo oder Gift für Unternehmen und Gesellschaft? So lautet, hier aus dem Englischen frei übersetzt, der Titel eines Aufsatzes von Olaf Hoffjann, der demnächst in einem wissenschaftlichen Journal erscheinen wird. Dass sich Unternehmen zu aktuellen und kontroversen gesellschaftlichen Themen positionieren und verhalten sollten, schien jahrelang Konsens in der Kommunikations-Zunft. Hoffjann, Professor an der Universität Bamberg, macht eine differenziertere Perspektive auf.
Es sei „klar, dass CSA für Unternehmen bestenfalls ein Placebo“ sei, argumentiert Hoffjann, denn große Unternehmen mit einer heterogenen Stakeholder-Landschaft liefen Gefahr, durch solche Praktiken mehr Unterstützung zu verlieren als zu gewinnen. Für die Gesellschaft indes sei CSA sogar Gift, weil Polarisierung vertieft werde. „Es ist ehrenwert, wie Unternehmen öffentlich Stellung beziehen für Vielfalt und gegen Diskriminierung“, so Hoffjann auf der Website zum PR-Tag 2025. Leider spreche „wenig dafür, dass dies positive Effekte für das gesellschaftliche Klima hat.“ In Stuttgart wird Hoffjann in einem Impuls Alternativen zum populären CSA-Ansatz vorstellen.
Überflüssig zu erwähnen, dass der Juryvorsitzende des Deutschen PR-Preises der DPRG persönlich ein Anhänger jener Werte ist, mit denen Unternehmen, oft in Verkörperung ihrer CEOs, zuletzt vielerorts mit internen Programmen und externer Kommunikation voran gegangen sind. Aber so einfach ist es eben nicht. Aspekte, die in den vergangenen Jahren vielfach in Strategien, Aktionsprogramme und Purpose-Papiere eingeflossen sind, werden unter dem Einfluss der US-amerikanischen Regierung plötzlich als „woke“ abgekanzelt. Die PR-Bubble bekommt Gegenwind.
Beispiel Diversity. Wie mit der „amerikanischen Bedrohung“ umzugehen sei, „ist gar keine einfache Aufgabe für die Firmen“, notierten Tobias Bug, Kerstin Bund, Ann-Kathrin Nezik und Kathrin Werner im Wirtschaftsteil-Aufmacher der „Süddeutschen Zeitung“ vom 17./18. Mai: „Jahrelang hatten sie bei jeder Gelegenheit erklärt, wie vorteilhaft diverse Teams sind und wie sehr sie die Firmenkultur fördern. Viele Konzernchefs bekommen sogar höhere Boni, wenn sie bestimmte Diversitätsziele erreichen. Gilt das alles nun nicht mehr? Soll man vor Trump und seinen Leuten einknicken – oder schlimmstenfalls auf das US-Geschäft verzichten? Und wie erklärt man der eigenen Belegschaft und der Öffentlichkeit, wenn sich all die hehren Worte der Vergangenheit als genau das entpuppen: als bloße Worte?“
„Weltweit ist der ganze Themenkomplex Diversity/ Equity/ Inclusion stark unter Druck geraten“, konstatiert Biagio Oppi von der Italian Federation of Public Relations. „Als Ratgebende sollten wir unsere Verantwortung gegenüber den Organisationen und Stakeholdern berücksichtigen und versuchen, die verschiedenen Pros und Contras auszubalancieren.“ Politische Themen seien „derzeit zu polarisiert, als dass Organisationen eine klare Haltung einnehmen könnten zu Angelegenheiten, die nicht direkt mit ihrem Geschäft zu tun haben.“
Oppi, im Hauptberuf Kommunikationsdirektor bei Pfizer in Italien, gehört zu einer Auswahl an Verbandsleuten innerhalb des europäischen Councils der Global Alliance for Public Relations and Communication Management, die für das nächste gedruckte DPRG-Journal um ihre Einschätzung gebeten wurden (erscheint am 28.05.2025 mit dem PR Report).
Die Organisation vertritt die weltweit größten Berufsverbände und repräsentiert etwa 360.000 PR-Profis. Auch die DPRG ist Mitglied der Global Alliance. In Stuttgart versammelt der Deutsche PR-Tag an diesem Donnerstag ein internationales Panel, das darüber diskutieren wird, was PR-Professionals in Europa momentan umtreibt: Silvia Arto (Vice President Global Alliance for PR), António Rapoula (Vice-President APCE, Portugal) und Pavel Vlcek (Chairman of the Executive Committee ASCOPA, Tschechien). Moderation: Carsten Holtkamp (Kreab Worldwide).
Zurück zum Thema: In Deutschland befragte Civey im Februar dieses Jahres Entscheiderinnen und Entscheider – auch jenseits der Kommunikation – in Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden speziell zur Positionierung bei Themen rund um den „Schutz der Demokratie“ und die Rechte von Minderheiten. Mehr als die Hälfte gab an, Unternehmen sollten „eher keine“ oder „eindeutig keine“ Äußerungen tätigen, rund ein Drittel befand, man solle sich öffentlich positionieren, etwa 13 Prozent zeigten sich unentschieden. Das Meinungsbild zum angebrachten Verhalten von Unternehmen in einer Gesellschaft, in der viele Themen polarisieren, ist selbst gespalten.
Das Thema „Haltung (als CEO) zeigen“ scheint vor diesem Hintergrund längst nicht ausdiskutiert zu sein und nach Jahren geglaubter Sicherheit wieder neu aufgerollt zu werden. Welche Skills Kommunikationsverantwortliche dafür mit- und einbringen sollten, ist beim PR-Tag Thema einer Fishbowl-Diskussion mit Young Professionals. Viele weitere Speaker und Themen stehen beim Jahreskongress der DPRG auf dem Programm:
https://pr-tag.de/speaker/.
Unter anderem gibt Willem Spelten, Leiter Unternehmenskommunikation der Mercedes-Benz AG, Einblicke in „eine Traditionsmarke und ihre Menschen im Auge des Sturms globaler Transformation“. Sebastian Turner (Table.Briefings), Michael Schattenmann (STIHL), Anne Guhlich („Stuttgarter Zeitung“) und Kerstin Skork (Stiftung Wissenschaft und Politik) besprechen, wie PR in Zeiten von Umbrüchen gelingen kann. Torsten Rössing (Conducttr Germany) erklärt die „Dead Internet Theory“, und Christof Hafkemeyer (EnBW), spricht darüber, wie Kommunikationsabteilungen ihre Digitalisierung vorantreiben können.
Programminformationen und Tickets:
https://pr-tag.de/
Autor: Sebastian Vesper
Mitarbeit: Christina Kahlert