Wie oft versuchen wir in der Führung oder in der Kommunikation, den perfekten Ton vorzugeben – statt zu vertrauen, dass unsere Teams ihn gemeinsam treffen können? Mirjam Berle über "Wirkliches Miteinander".
Neulich stand ich mal wieder auf der großen Bühne. Wer jetzt eine Glosse über eine Keynote erwartet, liegt falsch. Ich war nicht allein dort oben, sondern gemeinsam mit dem Chor, in dem ich singe. Großes Werk, großer Chor, großes Orchester und ein großes Publikum.
Seit Anfang des Jahres haben wir einen neuen Chorleiter. Er ist – ganz nüchtern betrachtet – unsere Führungskraft. Und wir sind sein Team. Spielen – pardon – singen wir nicht mit, hat er keine Chance.
Was mich seitdem beschäftigt: Er führt uns – aber nicht, indem er alles vorgibt. Sondern er führt uns, indem er uns mitverantwortlich macht.
Er hört zu. Er probt nicht nur mit uns und der Idee, dass wir bestmöglich funktionieren, also musizieren sollen. Sondern er probt mit der Haltung, dass wir gemeinsam gestalten. Ja, er steht vorn. Aber er verlässt sich darauf, dass wir nicht nur den Klang, sondern auch die Verantwortung mittragen.
Und plötzlich ist da etwas, das in Organisationen oder Teams in turbulenten Zeiten manchmal fehlt: Wirkliches Miteinander. Nicht als Kuschel-Atmosphäre. Sondern als gemeinsames Ringen um Qualität.
Wie oft versuchen wir in der Führung oder in der Kommunikation, den perfekten Ton vorzugeben – statt zu vertrauen, dass unsere Teams ihn gemeinsam treffen können?
Wie viel besser klingen beide, Führungskraft und Team, wenn sie nicht nur dirigieren, sondern das zum Klingen bringen, was in jedem Einzelnen und im Zusammenspiel aller verborgen liegt? Vielleicht ist das der Ton, den Führung und Kommunikation heute treffen müssen.
Und vielleicht hören wir ihn nur, wenn wir nicht lauter werden – sondern gemeinsamer.
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