Worum es geht? Um den TikTok-Kanal des Finanzministeriums Baden-Württemberg. Und nein, das ist kein Gag. Es gibt ihn wirklich. Ich habe ihn mir angeschaut. Mehrmals. Und war jedes Mal so ein kleines bisschen fassungslos.
Nicht, weil ich finde, dass Ministerien nichts auf Social Media zu suchen haben – im Gegenteil. Ich feiere es, wenn Behörden moderne Kommunikation ausprobieren. Aber dann bitte mit Substanz.
Denn so ein Kanal hat enormes Potenzial. Gerade bei einem Thema wie Steuern, das viele betrifft, aber kaum jemand richtig versteht. Man könnte hier aufklären, vereinfachen, Transparenz schaffen. Nahbar erklären, wie das mit der Lohnsteuer funktioniert, was mit öffentlichen Geldern passiert, wieso man eine bestimmte Abgabe zahlt. TikTok wäre ein perfekter Ort dafür - wenn man es denn gut macht.
Wenn TikTok zum Fremdscham-Moment wirdAktuell wirkt der Kanal leider eher wie ein digitales Kuriositätenkabinett. Statt guter Inhalte gibt es tanzende Leoparden in der Mittagspause und „Trend-Getränke“ wie Hwachae werden gemixt, während man versucht, beiläufig Steuertipps einzustreuen. Man fragt sich irgendwann nicht mehr, was das soll - sondern wer das freigegeben hat.
Für mich persönlich wird der Begriff “cringe” hier endlich greifbar. Es ist nicht bloß Fremdscham. Es ist das Gefühl, dass man hier versucht, jugendliches Entertainment mit einem Thema zu vermischen, das Seriosität braucht. Nicht, weil Steuern langweilig sind, sondern weil sie wichtig sind. Weil sie Vertrauen verlangen.
Klar, sie verweisen auf 5,8 Millionen Views. Beeindruckende Zahl. Aber was bringt diese Zahl, wenn die Leute am Ende nur denken: „Was war das denn?“ Views allein sind kein Qualitätsnachweis. Wenn der Inhalt nicht ernst genommen wird, geht am Ende alles verloren, was man eigentlich aufbauen wollte - nämlich Glaubwürdigkeit.
Was stattdessen helfen würdeErstens: Der Kanal braucht eine klare Content-Strategie, die auf Aufklärung setzt. Statt Ablenkung mit Trends sollte der Fokus auf verständlicher, aber nicht steriler Information liegen. Es geht darum, Steuerthemen einfach und nachvollziehbar zu erklären, ohne den Ernst zu verlieren.
Zweitens: Es sollten echte Gesichter gezeigt werden, die das Thema erklären. Statt sich zu verkleiden oder auf Trends zu setzen, könnten Mitarbeitende des Ministeriums authentisch und nahbar Steuertipps vermitteln.
Drittens: Eine Interaktion auf Augenhöhe ist wichtig. Zuhören, reagieren und die Fragen der Nutzer:innen ernst nehmen – das schafft Vertrauen. Q&As und offene Fragerunden helfen. Es geht nicht darum, jedem Trend zu folgen, sondern darum, klar und respektvoll zu kommunizieren.
Ich sage nicht, dass alles schlecht ist. Es gibt gute Ansätze. Aber aktuell wirkt der Kanal wie „Wir wollen unbedingt dazugehören, aber wissen nicht wie.“ Und genau deshalb braucht es mehr Mut zur Klarheit. Mehr Substanz. Und bitte keine tanzenden „Tiere“ mehr. Natürlich geht ein Versuch mal schief. Aber hier waren es viele und man sollte die Konsequenzen daraus ziehen.
TikTok? Ja, bitte. Aber mit Haltung. Und Respekt vor dem Thema. Denn Steuern sind kein Gag. Und Vertrauen gewinnt man nicht im Leopardenkostüm.
Kontakt zur Autorin:
lara@buschkommunikation.media