Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland ist zunehmend belastet, während politische Ränder an Stärke gewinnen. Welche Rolle spielen dabei digitale Medien und was kann die professionelle Kommunikation leisten?
Das gemeinsame
Demokratie-Symposium der Kommunikationsverbände DPRG, BdKom und GPRA mit dem Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig präsentierte am 9. April 2025 aktuelle Einsichten aus Forschung und Praxis zu dieser kritischen Frage.
Nah bei der Lebenswelt der Menschen sein und Stärkung der „stillen Mitte“ ist Aufgabe der Medien
In seiner Keynote forderte MDR-Chefredakteur Florian Meesmann „radikale Verständlichkeit“ und betonte die Notwendigkeit verstärkter Regionalität und Plattformautonomie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ein konstruktiver Journalismus müsse die Vorzüge der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erlebbar machen, zum Weiterdenken anregen und Partizipation positiv darstellen, statt die Menschen „mit dem Weltuntergang allein zu lassen“. Denn die Verbreitung von Endzeitstimmung und Katastrophenszenarien in den Medien spielen Extremisten in die Karten. Hier müssen die Medien sich und auch ihren Gebrauch von Sprache hinterfragen.
In einem inhaltlich starken Talk waren sich Florian Messmann, Dr. Markus Wehner, FAZ-Korrespondent in Sachsen und Thüringen und Moderator Andreas Möller, Mitglied im Bundesvorstand der DPRG, schließlich einig, dass die „stille Mitte“ durch die Medien gestärkt werden muss.
Angst und Unsicherheit befördern jeglichen Zweifel an Berichterstattung
Professor Christian Hoffmann (Uni Leipzig) präsentierte seine Forschungserkenntnisse zur Desinformation und wies auf die Diskrepanz zwischen subjektiver Angst und objektiver Messbarkeit hin. Es werde nur eine kleine Minderheit mit einem Großteil der Falschinformationen konfrontiert, trotzdem sinke durch eine Art Angstspirale das Vertrauen in die Medien, die Skepsis wachse, und zudem entstünden die Narrative, nur „die anderen“ würden Fake News aufsitzen. Die Effekte von Fact Checking sieht Hoffmann als sehr überschaubar an, außerdem würden sie sogar die Reaktanz verstärken. Stattdessen wäre es seiner Meinung nach wichtiger, „mehr Energie auf gute Informationen zu legen als schlechte zu bekämpfen“.
Eine einmal verbreitete Falschinformation ist nur schwer korrigierbar
Auf die Frage, wie schlimm Desinformation sei, antwortete Nicole Krämer, Professorin an der Universität Duisburg-Essen: „Schlimmer als man denkt.“ Denn eine einmal verarbeitete Falschinformation lasse sich kaum noch korrigieren. Die Wiederholung ist hier ein besonders gefährdender Faktor. Falschmeldungen werden in der Regel vorrangig von Menschen verbreitet und nicht von Bots.
Besonders nachdenklich stimmt, dass 59% der Links auf der Plattform X weitergeleitet und geteilt werden, ohne wirklich den Inhalt zu kennen. Und Friedrike Herrmann, die sich als Professorin an der Uni Eichstätt-Ingolstadt toxischen Narrativen psychologisch nähert, konstatierte, man müsse erst auf die Ebene der Ängste gehen und könne danach die Fakten bringen.
Nachrichten- bzw. Medienkompetenz wird zur Schlüsselkompetenz
Praktische Lösungsansätze präsentierte MDR-Kommunikationschef Michael Naumann mit seiner Strategie aus Angebotsvielfalt, verstärkter Regionalität, Transparenz, Partizipation und Dialog als Grundlage für mehr Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Nahbarkeit. Die Förderung von Nachrichtenkompetenz als „Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts“ stelle einen weiteren wichtigen Baustein dar, betonte Tom Waurig von der Bildungsinitiative „Spreuweizen“. Mit der weiteren Entwicklung von KI wird das Thema Medienkompetenz noch weiter an Bedeutung gewinnen und muss deshalb von allen Seiten bereits zeitig vermittelt und immer wieder gestärkt werden.
KI birgt Chancen und Risiken zugleich
Das Dilemma von Deepfake und KI diskutierten Alexander Godulla, Professor für Empirische Kommunikations- und Medienforschung in Leipzig, und Marina Stiefenhofer von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Sie sehen zwar deren Risiken, betonten aber deren enormes kreatives Potenzial. Dass es Medienmanipulation zwar schon immer gebe, heute aber jeder jederzeit ohne Vorkenntnisse großen Schaden anrichten könne, gerade wenn es um sexualisierte Gewalt über Deepfakes geht, alarmiert Katharina Goede von HateAid. Aus diesem Grund forderte die Juristin „Safety by Design“-Prinzipien und eine verstärkte journalistische Sorgfaltspflicht.
Neben vielen Aha-Effekten und Ausrufezeichen bei diesem Symposium eine gute Nachricht zum Schluss: Trotz Manipulationen in digitalen Medien können wir dem Gros der Menschen mehr Medienkompetenz zutrauen als oft vermutet.
„Ich freue mich darüber, dass wir bei der DPRG das Symposium mitinitiiert haben. Wir werden weiter am Ball bleiben und seitens der Kommunikation daran arbeiten, die Demokratie zu stärken. Mit unserer Expertise und mit immer wieder neuen Erkenntnissen. Es geht schließlich um was!“, meint Sabine Clausecker, Präsidentin der DPRG.
Foto: Dr. Markus Wehner, FAZ Korrespondent, Sabine Clausecker, Präsidentin DPRG, Florian Meesmann, stellv. Chefredakteur des MDR , Regine Kreitz, Präsidentin BdKom, Andreas Möller, Bundesvorstand DPRG, Leiter Unternehmenskommunikation TRUMPF, Boris Barth, GPRA (v.li.n.re.)