In Rekordzeit legt der DPRG-Expertenkreis Public Affairs seit Herbst vergangenen Jahres seine „Policy Papers“ für die Praxis der Politischen Kommunikation vor. Ein Gespräch mit Isabella Pfaff, die zum Kreis der Autorinnen und Autoren zählt und den Expertenkreis leitet.
Frau Pfaff, wann kommt das dritte Policy Paper in die Fachöffentlichkeit und womit befasst es sich?
Isabella Pfaff: Wir nehmen eine Standortbestimmung vor und fragen: Wie ist es um die Reputation der Public Affairs, also um den Ruf der Lobbyarbeit im neuen Bundestag bestellt? Wie sehen die neuen Abgeordneten unsere Arbeit? Wie offen, aber auch mit welchen Urteilen oder Vorurteilen uns gegenüber treten sie jetzt ihr Mandat an? Wir wollen mit einer Umfrage unter den neuen Angeordneten und einige qualitativen Interviews das Fremdbild abfragen.
Auf der anderen Seite wollen wir aber auch eine Standortbestimmung der Public Affairs in der DPRG vornehmen. Wie sehen wir denn im Verband die Public-Affairs-Arbeit? Wir erstellen also auch ein Selbstbild. Das ist nicht repräsentativ, aber lässt die wichtigsten Stakeholder zu Wort kommen, und wir erhoffen uns von der anonymen Befragung aufschlussreiche Aussagen und Ansatzpunkte, den Ruf der Lobbyarbeit in Deutschland zu verbessern.
Fangen wir von vorn an: „Wer argumentiert, verliert“ war die Überschrift des ersten Thesenpapiers Mitte Oktober. „Zehn Thesen für die Kommunikation mit Radikalen und Extremisten“.
Richtig. Unser Berufsstand ist darauf trainiert, argumentativ und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Aber wir sehen uns immer mehr Menschen gegenüber, deren Ziel es ist, Kommunikation bewusst zu zerstören, in der Politik wie auf Social Media. Hier kann man nicht gewinnen, wenn man versucht, die verschiedenen Zerstörungstechniken der Gegenseite faktisch zu widerlegen. Das kostet Nerven und Lebenszeit.
Deshalb haben wir zehn Thesen zusammengestellt, wie man mit solchen Gesprächssituationen umgehen kann. Also: Deutungshoheit behalten, gute Vorbereitung, klare Ziele und rote Linien, keine Hinterzimmerpolitik, Aligned Communication und Hilfe im Ernstfall, dem Phänomen der „Ende der Party“-Gespräche begegnen, Gespräche als strategische Mittel sehen, Dominieren mit „Basic-Talk“, das Unternehmen ist Corporate Citizen und die Interne Kommunikation immer mitdenken.
Das ist viel und komplex. Haben Sie eine Lieblingsthese? Glauben Sie, nachdem gut ein halbes Jahr ins Land gegangen ist, dass eine besonders herauszuheben ist?
Meine Lieblingsthese ist nach wie vor die Nummer sechs, die „Ende der Party“-Gespräche-These. Radikale und Extremisten gehen nicht ergebnisoffen in Gespräche sondern mit der Absicht, diese zu zerstören und den Gesprächspartner gleich mit. Man kann es nicht oft genug sagen, aber viele glauben das nicht, bis sie es selbst erleben. Den Namen hat die These übrigens von einem Zitat des rechten Vordenkers Götz Kubitschek von 2006, der selbst sagt: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs…. sondern das Ende der Party.“
Wie finden Sie im Expertenkreis Public Affairs eigentlich zu solchen Thesen?
Zum einen durch die Aktualität – die vorgezogenen Neuwahlen haben uns natürlich viele Themen geliefert. Dann durch den Input meiner beiden super engagierten Kollegen im Leitungskreis, Dr. Olaf Kaltenborn und Boris Barth. Und durch viele Anregungen der Mitglieder im Expertenkreis selbst. Da kommen tolle Vorschläge.
Das zweite Policy Paper von Anfang Januar 2025 widmete sich der Kommunikation von Unternehmen und Verbänden im diesmal sehr kurzen Wahlkampf: „Nur wer redet, wird gehört“. Sie argumentieren, dass Nicht-Einmischung keine Option sei. Warum nicht?
Wer den Mund nicht aufmacht, kann seine Argumente folglich nicht in die politische Diskussion einbringen und riskiert, dass andere, die sich laut einmischen, den Diskurs bestimmen. Man überlässt dann Dritten die Deutungshoheit über bestimmte Themen. Sehr oft bestimmen dann NGO wichtige Wirtschaftsthemen, weil die Unternehmen sich nicht äußern. Das ist natürlich kontraproduktiv.
Haben sich Unternehmen und Verbände nach Ihrem Eindruck denn genug „eingemischt“?
Nein. Das ist etwas, was ich sehr bedauere, denn die Politik kann auch nur auf das reagieren, oder über Argumente nachdenken, die in den öffentlichen Diskurs auch eingespeist werden. Die Politik hat keine Hol-Schuld, die Unternehmen und Verbände haben eine Bring-Schuld, wenn sie ihre Interessen berücksichtigt sehen wollen. Das nennt sich dann Public Affairs. Fehlen die Argumente der Unternehmen und Verbände, ist diese Sicht der Dinge schlicht nicht vorhanden und spielt in der politischen Entscheidung dann keine Rolle. In der Politik gilt: Wer etwas will, meldet sich. Wer schweigt muss mit dem leben, was entschieden wird.
Gibt es eine These, die Sie heute anders – oder in dieser Form gar nicht mehr – formulieren würden?
Nein. Aber es gibt Thesen, die es wert wären, sich noch näher und intensiver damit zu beschäftigen, als wir das jetzt konnten. Wir denken darüber nach, eventuell ein, zwei Thesen nochmals nach zu bearbeiten.
Die Policy Papers des Expertenkreises Public Affairs können auf dieser Website unter „
Publikationen“ kostenlos bestellt werden.
Hintergrund: Der Expertenkreis Public Affairs der DPRG ist 2023 wieder aufgesetzt worden. Er beschäftigt sich mit aktuellen Themen der politischen Kommunikation, aber auch mit grundlegenden Themen der Lobbyarbeit in Deutschland, auf wissenschaftlicher Grundlage und faktenbasiert. Aufbereitet in Policy Papers sollen die Themen zum besseren Verständnis der Public Affairs in der Öffentlichkeit beitragen.
Der Expertenkreis wird geleitet von Isabella Pfaff, Gründerin mfm-menschen für medien in Berlin. Ihre beiden Stellvertreter sind Dr. Olaf Kaltenborn, Verantwortlicher Philantropie Deutschland der ETH Zürich und Boris Barth, Executive Director bei der Fink und Fuchs AG in Berlin.