„Wie läuft's?" – „Gut ins Jahr gestartet?“ „Ja, aber schon wieder total busy!" Beschäftigt sein erscheint mir als Ritterschlag unserer Zeit. Als wäre Beschäftigung per se ein Qualitätssiegel für unsere Existenzberechtigung. Dabei verwechseln wir gerne geschäftig mit gescheit, hektisch mit heroisch.
Beschäftigung ist zur Währung geworden, mit der wir unseren Wert bemessen. Je voller der Kalender, desto bedeutsamer die Funktion – oder etwa nicht? „Schau her, wie wichtig ich bin – ich habe keine Zeit!“
In Zeiten der Transformation ist Beschäftigung manchmal auch ein willkommenes Versteck. Lieber in hundert unwichtigen Aufgaben versinken, als sich den wirklich relevanten Themen zu stellen. Die Kunst der Geschäftigkeit als Schutzschild vor unbequemen Wahrheiten oder Veränderungen.
Selbstredend entscheiden wir nicht immer selbst über unsere To-do-Liste. „Können Sie das noch schnell...?" – „Das ist doch kein Aufwand, oder...?" Und doch scheitert möglicherweise Produktivität weniger an der Erlaubnis anderer als an der, die wir uns selbst nicht geben.
Was wäre, wenn wir zwischen fremden Erwartungen und eigenen Prioritäten eine einfache Frage wie diese stellen: Was ist der tatsächliche Impact dieser Aufgabe – und welche andere wichtige Aufgabe darf dafür warten? Bemerkenswert dabei: Erst wenn wir diese Frage stellen, geben wir auch anderen die Chance, neu zu priorisieren. Erstaunlich, wie oft sich dann vermeintliche Dringlichkeit in einfache Wichtigkeit verwandelt – oder sogar komplett auflöst.
Vielleicht ist es an der Zeit, uns einzugestehen: Beschäftigung ist oft nur die Komfortzone der Unproduktiven. Der Unterschlupf für alle, die entweder nicht „Nein" sagen können oder wollen. Die perfekte Ausrede, um die wirklich wichtigen Dinge aufzuschieben. Um beherzt „Ja!“ zu sagen zum Loslassen und Loslegen.
Produktivität ist wie eine scheue Wildkatze. Sie braucht Ruhe, Fokus und vor allem Zeit zum Nachdenken. Sie gedeiht nicht im Dauerlärm der Aktivität, sondern in Momenten der konzentrierten Stille. Sie verlangt von uns, die richtigen Dinge richtig zu tun – auch wenn das bedeutet, uns die Hände schmutzig zu machen mit Aufgaben, die wir ungern anpacken.
Also, bevor wir wieder stolz verkünden, wie beschäftigt wir sind: Vielleicht fragen wir uns, womit wir uns da eigentlich beschäftigen? Und ob es nicht an der Zeit wäre, das Hamsterrad gegen einen zielgerichteten Sprint einzutauschen.
Am Ende des Tages ist es nicht die Menge unserer Aktivitäten, die zählt, sondern deren Wirkung. Oder um es mit Mark Twain zu sagen: „In zwanzig Jahren wirst du mehr von den Dingen enttäuscht sein, die du nicht getan hast, als von denen, die du getan hast.“ Also, wovon hält uns Beschäftigung ab?
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