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Mirjam Berle
01.12.2024   Glosse
Zuckerbrot für alle!
Der Nikolaus hat es schon früh verstanden: Ohne Zuckerbrot und Peitsche läuft so gut wie nichts im Leben.
Als Kinder wussten wir, wer sich im goldenen Buch positiv wiederfindet, wird mit Süßigkeiten belohnt, während Knecht Ruprecht (ja, der war immer dabei...) den anderen mit der Rute winkt. Eine ziemlich effektive Frühform des modernen Belohnungsmanagements, wenn ihr mich fragt.
 
Diese altbewährte Methode hat inzwischen eine erstaunliche Karriere gemacht – allerdings in abgespeckter Form. Die Rute? Völlig out! Geblieben ist nur das Zuckerbrot, und davon nehmen wir reichlich. Die moderne Ratgeberliteratur ist sich einig: Ohne regelmäßige Belohnungen geht gar nichts mehr. Selbstoptimierung funktioniert nur mit Zuckerbrot. Also belohnen wir uns für jeden noch so kleinen Erfolg. Ein neuer Lippenstift oder ein paar schicke Socken fürs Zähneputzen, ein Wellness-Wochenende für die eingereichte Steuererklärung.
 
Hast du dich heute schon belohnt? Nein? Das solltest du aber dringend nachholen! Schließlich hast du es verdient – ganz bestimmt. Vielleicht weil du pünktlich aufgestanden bist. Oder weil du den Müll rausgebracht hast.
 
Die Belohnungsindustrie boomt. Längst gibt es Apps, die uns daran erinnern, wann wir uns wieder etwas Gutes tun sollten. Ratgeber erklären in 12 Schritten den Weg zur perfekten Selbstbelohnung. Und im Supermarkt lockt die "Gönn dir was"-Ecke gleich neben der Kasse (schon spannend, dass die meist beim Quengelregal steht...).
 
Nun ist gegen eine wohlverdiente Belohnung nichts einzuwenden. Aber wenn aus der Ausnahme die Regel wird, verliert sie ihren besonderen Reiz. Eine Praline zum Frühstück? Eine zur Mittagspause und eine zum Feierabend? Das ist dann wohl eher Alltag als Belohnung.
 
Es beschleicht mich die Frage: Wie haben denn die Menschen früher ihr Leben ohne permanente Belohnungsorgien gemeistert? Sie sind morgens aufgestanden, zur Arbeit gegangen und haben nebenbei noch Pyramiden gebaut – ganz ohne Motivations-Smoothie und Erfolgs-Schokolade. Selbst der Nikolaus kommt heute nicht mehr mit der Rute, sondern verteilt großzügig Geschenke – auch an die Quälgeister. Man will ja niemanden demotivieren.
 
Aber psst! Solche ketzerischen Gedanken behalte ich besser für mich. Sonst muss ich mich am Ende noch dafür bestrafen. Mit einer extra großen Portion Belohnung, versteht sich.

Kontakt zur Autorin: kontakt@mirjam-berle.de
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