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News / Das Ende der Party
In den Parlamenten wird es ruppiger. Neue Ansätze sind gefragt. ©Landtag Brandenburg
Das Ende der Party
Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist klar: Die „Brandmauer-Strategie“ ist gescheitert. Ob und wie man als Kommunikator mit Radikalen und Extremisten reden soll, hat sich der DPRG-Expertenkreis Public Affairs gefragt.
Im Osten der Republik hat sich eine Parteienlandschaft etabliert, die sich grundlegend von der Parteienlandschaft und dem Wahlverhalten in Westdeutschland unterscheidet. Die politische Nachkriegslandschaft so wie wir sie kannten, ist vorbei. Mehrheiten der Mitte sind auf absehbare Zeit nicht oder kaum mehr möglich. Radikale bis extremistische Parteien (1) - allen voran die AfD - sowie ihre Anhänger und Vorfeldorganisationen dominieren nicht nur die neue Parteienlandschaft und stellen in vielen Kommunen Mandatsträger, sondern bestimmen vielfach auch den Umgang im gesellschaftspolitischen Alltag.
 
Und da wird es im wahrsten Sinne des Wortes ruppig. Nicht nur Kandidaten anderer Parteien werden angegriffen und beschimpft, auch Journalisten oder zivilgesellschaftlich Engagierte werden eingeschüchtert.
 
PR- und Public Affairs-Verantwortliche aus Unternehmen, Verbänden, dem öffentlichen Sektor oder Agenturen stehen im Osten - aber nicht nur dort! - vor der Frage: Wie soll man in diesem neuen, polarisierten gesellschaftspolitischen Umfeld kommunizieren? Und: Soll man es überhaupt?
 
Vielleicht muss man die Frage aber auch anders stellen, um zu einem ersten Erkenntnisgewinn zu kommen: Wollen radikale und extremistische Gruppen von ganz links bis ganz rechts, aber auch islamistische Gruppen oder Hamas-Unterstützer überhaupt „kommunizieren“, suchen sie den Dialog? Und wenn ja, mit wem und wie?
 
Dazu gibt es ein Zitat des Vordenkers der Neuen Rechten, Götz Kubitschek: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party“ (Kubitschek, 2006:2)
 
Damit werden die über Jahrzehnte in einem weitgehend berechenbaren politischen Umfeld gewachsenen Kommunikationsroutinen der PR- und Public-Affairs-Branche in Frage gestellt. Neue Kommunikationsansätze sind gefragt.
 
Als Think Tank Public Affairs haben wir deshalb gemeinsam zehn Thesen erarbeitet, die als kleine und natürlich unvollständige Handreichung für alle Kolleginnen und Kollegen gedacht sind, die mit diesen Fragen konfrontiert sind. Das Handout soll bei der Entscheidungsfindung helfen: Wann lohnt sich ein Gespräch? Was erwartet mich? Wie bereite ich mich vor? Welche Sprache sprechen Radikale und Extremisten? Wie behalte ich im Gespräch die Deutungshoheit? (2) Und: Wer hilft mir im Ernstfall?
 
Die Zehn Thesen sind kein Buch und keine wissenschaftliche Abhandlung. Sie sind als Best-Practice-Beispiele ein Anfang und ein Einstieg in einen professionellen Diskurs.
 
Zehn Thesen für die Kommunikation mit Radikalen und Extremisten
 
These 1: Deutungshoheit behalten!
 
Ziel des Austauschs mit Radikalen oder Extremisten ist es, die Deutungshoheit über den gesamten Kommunikationsprozess zu erlangen und zu behalten. Das heißt, die eigene Interpretation dessen, was man tut und warum man es tut, in der Öffentlichkeit durchzusetzen, also möglichst als erster Akteur öffentlich, sachlich richtig und neutral auf allen Kanälen zu kommunizieren - kurz: Agenda-Setting in eigener Sache zu betreiben.
 
Als aktiver Kommunikator behält man so Handlungsfreiheit und wird nicht in eine Verteidigungs- und Rechtfertigungsrolle gedrängt. Dies stellt eine Herausforderung dar, da radikale Gruppierungen asymmetrische Kommunikationsstrategien bevorzugen, häufig mit falschen Narrativen in die Opferrolle schlüpfen und mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit in den sozialen Medien den öffentlichen Diskursraum besetzen (vgl. Maeße, 2016)
 
These 2: Gute Vorbereitung
 
Wenn ein Gespräch, eine Interaktion mit Radikalen oder Extremisten ansteht, ist eine gute Vorbereitung unerlässlich, um nicht überrumpelt zu werden. Entwickeln Sie eine klare Agenda für das Gespräch und führen Sie vor dem Treffen eine (kleine) Umfeldanalyse durch. Die Beantwortung dieser sieben Fragen kann Ihnen dabei helfen:
 
  • Wer sind die Akteure der Gegenseite?

  • Wie ist die Gesamtgruppierung (politisch) zusammengesetzt?

  • Wie sieht das unterstützende Umfeld aus?

  • Welche politischen Forderungen werden erhoben?

  • Sind Handlungen oder Forderungen der Gruppe/Personen (straf-) rechtlich relevant? Benötigen Sie juristischen Rat?

  • In welcher organisationsinternen personellen und inhaltlichen Konstellation treten Sie diesen Gesprächspartnern gegenüber?

  • Was sind Ihre Kernbotschaften und Ziele in diesem Gespräch?


 
These 3: Klare Ziele und rote Linien definieren
 
Legen Sie im Vorfeld die Leitplanken des Gesprächs fest und klären Sie, wo Ihre eigenen roten Linien verlaufen. Bei welchen (provozierenden) Aussagen oder Handlungen der Gegenseite unterbrechen oder verlassen Sie zum Beispiel das Gespräch? Einige Symbole und Äußerungen sind nach deutschem Recht strafbar. Sie gehen mit den besten Absichten ins Gespräch. Bei der Gegenseite sollten Sie das nicht voraussetzen. 
 
  • Vor dem Gespräch am besten schriftlich - z.B. per E-Mail - klare Ziele mit der Gegenseite vereinbaren. Klar aushandeln, worüber gesprochen wird und worüber nicht (z.B. Baugenehmigung - aber nicht Migrationspolitik!) und klären, wer an dem Treffen teilnimmt.

  • In der Vorbereitung für sich selbst eindeutige Ziele und Forderungen formulieren, z.B. Welche Kernbotschaften will man vermitteln? Welches Ziel soll erreicht werden? Das darf man nicht aus den Augen verlieren.

  • Rote Linien festlegen: Wann verlässt man z.B. das Gespräch? Schon bei Pöbeleien oder „erst“ bei Beleidigungen oder strafbaren Handlungen?

  • Keine one-to-one-Gespräche: Immer mindestens zu zweit in solche Gespräche gehen. Wenn die Gegenseite das Gespräch filmt oder aufnimmt, brechen Sie das Gespräch ab oder filmen selbst.

  • Alle PR- oder PA-Verantwortlichen, die an Ihrer Seite an dem Gespräch teilnehmen, müssen über die Ziele und geplanten Vorgehensweisen des Gesprächs informiert sein. Sonst kann es passieren, dass Sie von der Gegenseite auseinanderdividiert werden.

  • Bringen Sie nicht unvorbereitet neue Themen in das laufende Gespräch ein. Der Gesprächspartner könnte Ihnen im politischen Agenda-Setting überlegen sein.

  • Lassen Sie sich im Gespräch nicht auf neue Themen ein, die vom gegnerischen Gesprächspartner eingebracht werden. Gesprächspartner radikaler oder extremistischer Gruppen verfügen über ein erhebliches Manipulationspotenzial. Sie versuchen, für sie günstige Äußerungen und Stellungnahmen als Zustimmung zu Ihren Positionen umzudeuten oder Ihre Ablehnung zu skandalisieren.

  • Machen Sie vor dem Gespräch deutlich, dass Sie unabgestimmte öffentliche Äußerungen nicht dulden und dagegen vorgehen werden!


 
These 4: Keine Hinterzimmerpolitik
 
Treffen von Unternehmens-/Organisationsvertretern mit Vertretern extremistischer oder radikaler Gruppierungen sollten vor und nach dem Treffen öffentlich kommuniziert werden. Nennen Sie öffentlich nachvollziehbare Gründe, warum ein solches Gespräch unvermeidbar ist/war. Dies gilt sowohl für die organisationsinterne als auch für die externe Kommunikation.
 
Veröffentlichen Sie auch zentrale Ergebnisse des Gesprächs. Siehe: Deutungshoheit behalten. Wenn Sie dies nicht tun und ein solches Treffen/Gespräch im Nachhinein öffentlich wird, geraten Sie automatisch in die Defensive und müssen sich rechtfertigen oder sehen sich im Extremfall einem Sturm der Entrüstung ausgesetzt.
 
These 5: Aligned Communication und Hilfe im Ernstfall
 
Mit Aligned Communication sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Sicht der Dinge durchsetzt (siehe Deutungshoheit). Vereinbaren Sie also im Vorfeld mit den Presseverantwortlichen von Unternehmenstöchtern, Geschäftspartnern, Verbänden oder auch beteiligten Organisationen, dass ein gemeinsam abgestimmtes Statement nach einem solchen Treffen/Gespräch von allen zeitgleich versendet und veröffentlicht wird. Das erhöht die Zahl der Empfänger der Botschaft und signalisiert der Gegenseite, dass sie in ein breites und starkes Partnernetzwerk eingebunden sind das hinter Ihnen steht. Nutzen Sie die Schlagkraft von Aligned Communication (Abgestimmter Kommunikation) (Forbes 2023).
 
Wenn aber der Ernstfall doch passiert, also: der radikale oder extremistische Gesprächspartner war schneller und kommuniziert gezielt Inhalte aus einer Besprechung/einem Gespräch, die Sie/Ihr Unternehmen in ein schlechtes Licht rücken: 
 
  • Widersprechen Sie sofort auf allen Ebenen und Kanälen. Sie haben das Treffen/Gespräch protokolliert? Dann stellen Sie die Fakten schnell und sachlich richtig.

  • Wenn das Thema sehr wichtig ist, gehen Sie zur Lokalzeitung, versuchen Sie einen Bericht oder ein Interview zu initiieren.

  • Bitten Sie - insbesondere in der Social Media Kommunikation - Ihre Aligned Partner um weitere Unterstützung in der Kommunikation. Diese sollten das zuvor abgestimmte Statement erneut posten und deutlich machen, dass sie weiterhin dazu stehen oder mit Ihnen abgestimmte Statements zu Ihren Gunsten bzw. zu Ihrer Darstellung des Sachverhalts in Social Media oder auch in anderen Kanälen veröffentlichen.

  • Ja - Sie können auf Social Media Antwort-Bots (Chat-Bots) zurückgreifen, die Ihr Statement/Ihre Fakten transportieren, falls es zu einem größeren Shit-Storm kommen sollte.

  • Im Statement selbst: Keine Beschwerden, keine Entschuldigungen, keine Erklärungen: Nur Fakten.

  • Es gibt nur ein Statement, das auf allen Kanälen bei Ihnen oder den Partnern verwendet und wiederholt wird. Lassen Sie sich nicht zu ergänzenden Aussagen verleiten. Jede Erklärung, jede Ergänzung bietet der Gegenseite neue Ansatzpunkte.


 
 These 6: Es gibt mit Radikalen oder Extremisten nur „Ende-der-Party“-Gespräche
 
Radikale und extremistische Gruppierungen gehen nicht ergebnisoffen, sondern mit einem gefestigten ideologischen Narrativ in Gespräche (3). Argumente, die Sie im Gespräch vorbringen, nutzen sie nur als Bausteine, um ihr eigenes Narrativ zu bestätigen und weiter zu festigen. Hier sei noch einmal an Kubitschek erinnert: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.“
 
Gespräche auf Augenhöhe oder ein echter Dialog werden nicht gesucht. Allenfalls kann eine themenbezogene Fachdiskussion erreicht werden, die zu einer pragmatischen Lösung führt, zum Beispiel auf kommunaler oder Kreisebene, wo Radikale oder Extremisten politische Verantwortung tragen und ihre Zustimmung und Mitwirkung bei bestimmten Vorhaben unverzichtbar ist.
 
These 7: Gespräche sind (auch) strategische Mittel
 
Kommunikationsverantwortliche sind in der Regel auf den „High Talk“ - also die horizontale Gesprächsebene auf Augenhöhe - sozialisiert. Das lernen wir in der Schule oder im Studium. Wir tauschen Argumente aus, hören einander zu und gehen aufeinander ein. Das bessere Argument möge gewinnen! Aufgrund dieser kommunikativen Sozialisation haben wir nicht gelernt, Gespräche als strategisches Mittel einzusetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen.
 
Deshalb ist ein Umdenken erforderlich: Das Gespräch mit Radikalen oder Extremisten muss nicht nur inhaltlich, sondern auch strategisch durchdacht und vorbereitet werden. Also: Welche rhetorischen Mittel setzt man ein? Wie baut man das Gespräch auf? Wie konfrontativ führen Sie es, wenn es darauf hinausläuft?
 
Konfrontation ist übrigens keine Unhöflichkeit, sondern eine strategische Notwendigkeit und ein legitimes Instrument im politischen Dialog. Nutzen Sie alle (!) kommunikativen Mittel wie Suggestion, Konfrontation, Zuspitzung etc. In der politischen Kommunikation gibt es keine Schönheitspreise, aber Gewinner und Verlierer (Jachtchenko 2018:85 ff)
 
These 8: Dominieren mit „Basic-Talk“ - Vertikale Sprachebene
 
Die Sprachebene radikaler und extremistischer Gruppen ist die vertikale Kommunikation. Die Methode ist der so genannte „Basic-Talk“ (vgl. Modler 2019: 14ff). Sie zielt darauf ab, in einer Gruppe schnell deutlich zu machen, wer der Ranghöchste im Raum ist, wessen Stimme zählt, wer der Boss ist. Es wird nicht auf Augenhöhe kommuniziert, Argumente werden instrumentalisiert. „Basic-Talk“ zeichnet sich vor allem durch einfache und sehr kurze Sätze aus. Keine Relativsätze, keine Erklärungen, keine Begründungen, meist laut und eindringlich im Ton. Einzelne Sätze und Wörter werden oft wiederholt (zum Beispiel Donald Trump ist ein Meister dieser Redeform).
 
Es ist ratsam, sich mit den gängigsten „Basic Talk“-Techniken wie „Slogan Hopping“ (4), „Whataboutism“ (5) oder „Quote Mining“ (6) vertraut zu machen und sie gegebenenfalls selbst anzuwenden, um nicht in rhetorische Sackgassen zu geraten. (7)
 
These 9: Das Unternehmen ist Corporate Citizen – eine öffentliche Person.
 
Bei einer notwendigen „Zusammenarbeit“ oder bei Gesprächen mit radikalen oder extremistischen Gruppen tritt das Unternehmen/die Organisation/Universität/Institution nicht als private, sondern als öffentliche Person auf. Es verlässt damit die Sphäre der reinen Produkt- oder Marketingkommunikation gegenüber Konsumenten oder Geschäftspartnern. PR- und PA-Verantwortliche sollten sich dessen bewusst sein, denn dieser Rollenwechsel zieht eine erhöhte Aufmerksamkeit auch von Multiplikatoren und Medien nach sich.
 
Das Unternehmen begibt sich in den gesellschaftspolitischen Raum und wird dort zum "politischen Player“, zum Corporate Citizen (Gabler Wirtschaftslexikon 2021). Die Kommunikation in diesem öffentlichen, gesellschaftspolitischen Raum ist aber eine andere als die gewohnte Unternehmenskommunikation. Sie zielt immer darauf ab, einen politischen Zustand zu erhalten, zu verändern oder abzuschaffen. Das wird als Forderung formuliert und kommuniziert.
 
These 10: Interne Kommunikation immer mitdenken
 
Bei jeder externen Kommunikation sollte auch die interne Kommunikation mitgedacht werden. Am besten ist es, kurz vor der Veröffentlichung der Pressemitteilung eine „Spiegelmitteilung“ der geplanten öffentlichen Kommunikation mit einer ausführlichen Begründung nach innen zu schicken, um die Kollegen abzuholen. Bauen Sie Feedback-Kanäle in Ihre Kommunikation ein. Eine gute interne Kommunikation muss ebenso Standard sein wie eine gute Pressearbeit. Schaffen Sie ein „Wir-Gefühl“ in der Organisation, bevor eine mögliche Krise eintritt. Dieses Vertrauen ist wichtig, wenn etwas passiert.
 
Anmerkungen:



(1) Definition von Radikal und Extremistisch


Radikalismus ist eine Denk- und Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme an der Wurzel (lat. radix) packen will. Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz, sofern sie den demokratischen Rechtsstaat und seine Grundprinzipien nicht in Frage stellen. Extremismus hingegen will die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie beseitigen. Während der Radikalismus also eine "Systemveränderung" anstrebt, zielt der Extremismus auf eine „Systemüberwindung“. Der Extremismus stellt den äußersten Rand des politischen Spektrums dar. Wer sich dort befindet, kann sich nicht weiter radikalisieren.(Quelle: Glossar des Bundesamtes für Verfassungsschutz: https://www.verfassungsschutz.de/DE/verfassungsschutz/auftrag/verfassung-schuetzen/verfassung-schuetzen_artikel.html#doc679114bodyText3)
 
(2) Definition Deutungshoheit/Deutungsmacht
Das Konzept der Deutungshoheit oder Deutungsmacht ist ein Ansatz in der politischen und kommunikativen Praxis, der Politikwissenschaft, der Philosophie sowie der Kommunikationswissenschaft. Denn mit der Erlangung von Deutungshoheit gelingt es, vorgegebene Meinungen einer Person oder Institution in ausgewählten Diskursräumen durchzusetzen. Wenn sich also eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe mit ihrer Interpretation von politischen, ökonomischen, kulturellen oder anderen Ereignissen gegenüber anderen Gruppen systematisch durchsetzt, dann beruht diese Diskursmacht auf Deutungshoheit. (Maeße, 2016:1) In gesellschaftspolitischen Diskursen können auch Personen und Gruppen Deutungshoheit erlangen, die falsche oder unterkomplexe Deutungsmuster anbieten. Zur Durchsetzung der Deutungsangebote werden dann auch gezielt Ängste, Zweifel oder Unsicherheiten geschürt, bekannt als „Fear, Uncertainty and Doubt (FUD) Strategie“. 
 
(3) mfm-menschen für medien (2024) Schaubild: Narrativ-Tabelle
 
(4) „Slogan Hopping“:
In der Diskussion wird schnell von einem Thema zum nächsten gesprungen und verknüpft, was nicht zusammengehört. So werden Landwirtschaft, Bildungsmisere und Bürgergeld in eine Aussage gepackt und als Tatsachenbehauptung in die Welt gesetzt, ohne dass ein wirklicher inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Themen besteht - für den Zuhörer klingt es aber so.Wir raten: Widerstehen Sie der großen Versuchung, diese inhaltslose Perlenkette sinnvoll auflösen und beantworten zu wollen. Das wird nicht gelingen. Besser: Das eigene Thema fokussieren und vorantreiben, siehe: Klare Ziele und rote Linien setzen.
 
(5)  „Whataboutism“:
Auch bekannt als De-Railling (engl. „jemanden entgleisen lassen“). Dahinter verbirgt sich ein aus Kindertagen bekanntes Ablenkungsmanöver, das so abläuft: Der Vater will den Sohn, der gerade die Fensterscheibe zerbrochen hat, zur Rechenschaft ziehen; der Sohn rechtfertigt sich: „Aber als meine Schwester vor zwei Wochen die Vase zerbrochen hat, gab es keine Strafpredigt“. Die Folge: Zack. Familiendisput über Schwester und Vase und Ungerechtigkeit, nicht mehr über die Fensterscheibe. In den sozialen Medien sieht das zum Beispiel so aus: Russland wird als Kriegsverbrecher beschimpft. Sofort kommt die Antwort: "... aber die USA". Rechtsextremismus wird kritisiert, sofort kommt die Antwort: "... aber die Linksextremen".Wir raten: Auch hier der Versuchung widerstehen. Denn es geht NICHT darum, hier Argumente auszutauschen. Besser: Selbst Basic-Talk anwenden. Ein einfaches „falsch“ oder „Quatsch“ reicht.
 
(6) „Quote Mining“:
Zitate aus dem Zusammenhang reißen und veröffentlichen. Beliebte Methode radikaler und extremistischer Gruppen, um andere Meinungen/Personen zu diskreditieren. Wenn man selbst betroffen sein könnte, hilft hier nur, die Deutungshoheit anzustreben, d.h. schneller sein, transparenter sein, offener kommunizieren als der Gesprächspartner.
 
(7) mfm-menschen für medien (2024) Schaubild: Überblick über FUD-Strategien. https://www.menschen-fuer-medien.de/media/site/52723d6127-1711364642/mfm_manuals_fud.pdf
 
Literaturverzeichnis:


  • Bundesamt für Verfassungsschutz: Glossar des Bundesamtes für Verfassungsschutz https://www.verfassungsschutz.de/DE/verfassungsschutz/auftrag/verfassung-schuetzen/verfassung-schuetzen_artikel.html#doc679114bodyText3

  • Callies, Sebastian(2020): Deutungshoheit. In: Die Muster der Meinungsmacher; Business Village Verlag 2020

  • Corporate Citizenship (2021): In: Gabler Wirtschaftslexikon https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/corporate-citizenship-31191/version-384767

  • Folkerts, J. (2019): Zur Theorie der Deutungsmacht. Eine ideengeschichtliche Erkundung in klassischen und modernen Machttheorien. In: ZPTh Jg. 10, Heft 2/2019, S. 211–232; https://doi.org/10.3224/zpth.v10i2.04;

  • How to Align Communications Across an Organisation (2023): In: Forbes, https://www.forbes.com/councils/forbescommunicationscouncil/2023/12/21/how-to-align-communications-across-an-organization/, letzter Zugriff 15.09.2024

  • Jachtchenko, Wladislaw (2018): Schwarze Rhetorik. Manipuliere bevor Du manipulierst wirst. Goldmann Verlag

  • Kubitschek , Götz (2006): „Provokation!“. In: Sezession, 12/2006; https://sezession.de/6174/provokation, letzter Zugriff 12.09. 2024

  • Maeße, Jens,(2016): Deutungshoheit. In: Hamann, J., Maeße, J., Gengnagel, V., Hirschfeld, A . (eds) Macht in Wissenschaft und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden

  • mfm-menschen für medien (2024): Schaubild: Narrativ-Tabelle“ und „Basic-Talk vs High-Talk“www.menschen-fuer-medien.de/

  • mfm-menschen für medien (2024): Schaubild: Überblick über FUD-Strategien. https://www.menschen-fuer-medien.de/media/site/52723d6127-1711364642/mfm_manuals_fud.pdf

  • Modler,Peter (2019): Mit Ignoranten sprechen. Wer nur argumentiert, verliert. Campus-Verlag, Frankfurt/New York

  • Schubert, S., & Kosow, H. (2007): Das Konzept der Deutungsmacht: ein Beitrag zur gegenwärtigen Machtdebatte in der Politischen Theorie? In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 36(1), 37-47. 

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Arbeitskreis

Expertenkreis Public Affairs (EPA)

Der Expertenkreis Public Affairs ist ein Think Tank, der sich als Vermittler von Wissen und Ideen für alle Stakeholder im Bereich der politischen Interessenvertretung versteht. Die Mitglieder des Think Tank verpflichten sich zu Transparenz, Integrität und Verantwortungsbewusstsein in der Kommunikation und Handlung. 
 
Die bis hinein in die Medienberichterstattung und die Haltung von Entscheiderinnen und Entscheidern in Politik und Organisationen zu beobachtende skeptische Haltung zu „Lobbying“ hat viele Ursachen. Durch die Schaffung eines Forums für den Austausch von Ideen und Informationen sowie die Unterstützung beim Aufbau themenorientierter Netzwerke will der Think Tank dazu beitragen, das Negativ-Image der politischen Interessenvertretung aufzubrechen und die professionelle berufliche Handlungskompetenz im Bereich der Public Affairs zu fördern.
 
Kontakt: public.affairs(at)dprg.de

Ansprechpartner:innen

Isabella Pfaff
mfm-menschen für medien, Berlin
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Tel.:

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Fink & Fuchs AG
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Berlin
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