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Prof. Dr. Peter Schneckenleitner
20.06.2024   News
„In der aktuellen Zeit ist es wichtig, Entdeckergeist mitzubringen“
Im Interview mit Charleen Bermann spricht Peter Schneckenleitner über seine aktuelle Position als Professor für Kommunikationsmanagement an der Hochschule Kufstein. Welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz in der Kommunikationsbranche und welche ethischen und praktischen Herausforderungen sind damit verbunden?
Herr Professor Schneckenleitner, was sind Ihre wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkte?
 
Mein Schwerpunkt liegt auf Kommunikationstheorie, Unternehmenskommunikation und KI-Applikationen. Bevor ich meine wissenschaftliche Laufbahn begann, sammelte ich mehrere Jahre Erfahrung im Bereich der Unternehmenskommunikation. Ich war unter anderem bei Lufthansa tätig, zunächst als Pressesprecher und später als Leiter der politischen Kommunikation in Berlin. Danach wechselte ich nach Kufstein. Der Wechsel von der Wirtschaft aus einer großen Metropole in die Wissenschaft in eine kleineren Stadt war keine leichte Entscheidung - aber nicht weniger spannend.
 
Sie haben erwähnt, dass einer Ihrer Forschungsschwerpunkte auf Anwendungen Künstlicher Intelligenz liegt. Was fasziniert Sie daran?
 
Es liegt insbesondere an der Schnittstelle zwischen KI und Kommunikation. Natürlich stellt sich sofort die Frage: Was hat ein Kommunikationswissenschaftler eigentlich mit Künstlicher Intelligenz zu tun? Wenn man sich das Umfeld, die Lehre, die Wissenschaft oder die Unternehmenskommunikation anschaut, wird klar, dass sich aktuell alles verändert. All die Bereiche werden durch die rasante Entwicklung neuer generativer KI-Modelle stark beeinflusst.
 
Es wäre höchst fahrlässig, wenn wir Kommunikationswissenschaftler*innen dieses Thema ignorieren würden. Und wenn man sich die neuesten Systeme ansieht, ist es wirklich erstaunlich, wie menschenähnlich sie bereits sind. Ich denke, es ist wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und zu hinterfragen, warum diese Systeme so menschenähnlich sein müssen. Ist das sinnvoll? Wohin führt uns das?
 
Und wieso ist das Thema für die Lehre so wichtig?
 
In der Lehre geht es darum, wie Wissen vermittelt wird. Was passiert mit Master- und Bachelorarbeiten, Gruppenarbeiten, Vorträgen und PowerPoint-Präsentationen? Diese Aufgaben haben durch die Automatisierung mit KI-Systemen stark an Wert verloren. Wie sollen wir heute Wissen bewerten? Back to the ´80s mit mündlichen Klausuren? Dasselbe gilt für die Wissenschaft und jede Form der Content-Produktion, seien es Video, Text oder Ähnliches. Wir stehen sowohl in der Lehre als auch in der Wissenschaft staunend da und beobachten, welche massiven und rasanten Veränderungen sich vor unseren Augen abspielen.
 
Wie wird sich das weiter entwickeln?
 
Es gibt drei entscheidende Dimensionen für KI-Systeme: Erstens die Technik, die bereits sehr belastbar ist und sich ständig weiterentwickelt. Zweitens das Coding, also die Programmierung der Algorithmen, die mittlerweile auf neuronalen Netzwerken basiert. Hier wurden bereits wesentliche Fortschritte erzielt. Drittens die Daten, die als Nahrung für KI-Systeme dienen. Die Menge an produzierten Daten wächst stetig.
 
Es gibt somit Nahrung im Überfluss und die KI-Systeme werden bildlich gesprochen immer fetter. Es ist erstaunlich, wie viel sich in dieser kurzen Zeit entwickelt hat. Wenn man sich vorstellt, wie diese Technologie zukünftig aussehen könnte, kommen einige spannende Fragen auf. Ein großes Thema dabei ist die technologische Singularität, bei der KI eigenständig Entscheidungen trifft und nicht mehr kontrollierbar ist. Aktuell sieht es so aus, als wären wir auf dem besten Weg dorthin.
 
Sehen Sie durch die Entwicklung Arbeitsplätze in der Kommunikationsbranche bedroht?
 
Jeder, der behauptet, es werde keine Anpassungen geben, verkennt die aktuelle Lage. Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen massiven Einfluss geben wird. Tatsächlich wird kaum eine Branche davon ausgenommen sein. Es wird zu einer erheblichen Umschichtung der Arbeitsplätze kommen. In welche Richtung genau? Das wäre derzeit wohl nur reine Spekulation.
 
Was wird sich denn in der Unternehmenskommunikation verändern?
 
Von den kreativen Prozessen bis zur Content Creation werden massive Veränderungen eintreten, auch in der Planung und Strategieentwicklung. Die Tools und Modelle von heute können das bereits exzellent umsetzen. Teilweise müssen wir uns also neu erfinden, und das ist eine große Herausforderung – nicht nur für die Unternehmenskommunikation oder Public Relations, sondern auch für viele andere Bereiche und die Medienbranche im Allgemeinen.
 
Zurzeit sehe ich noch relativ wenige klare Pläne oder Richtungen. Es wird noch viel experimentiert, vom KI-Radio über den KI-Podcast bis zum KI-Video und KI-Bot. Und sobald wir uns als Wissenschaftler*nnen damit beschäftigen, ist bereits wieder ein neues System, eine neue bessere Version am Markt. Die Dynamik in diesem Bereich ist atemberaubend.
 
In den letzten 10 bis 15 Jahren gab es eine starke Zunahme an Kommunikationsstudiengängen mit unterschiedlichen Inhalten. Was macht Ihre Hochschule und Ihr Angebot im Vergleich zu anderen einzigartig?
 
Wir haben in der Region ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, insbesondere durch die Kombination von Marketing und Kommunikationsmanagement. Zudem sind wir ein attraktiver Standort für Studierende aus unseren Nachbarländern, da wir sowohl für Süddeutsche als auch für Südtiroler gut erreichbar sind. Diese Kombination macht uns besonders.
 
Darüber hinaus sind wir sehr anwendungsorientiert und passen unsere Lehrveranstaltungen stets den aktuellen Themen an. Dies ist besonders wichtig, da wir viele berufsbegleitende Studierende haben, die oft bereits in Kommunikationsabteilungen oder Digitalmarketingagenturen arbeiten. Sie kommen mit einem hohen Niveau und hohen Ansprüchen zu uns, und da müssen wir natürlich noch etwas draufsetzen. Diese Herausforderung nehmen wir gerne an, und es funktioniert sehr gut.
 
Was ist Ihnen in der Lehre besonders wichtig? Was möchten Sie Ihren Studierenden, vor allem im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen, mitgeben?
 
Neugierde würde ich sagen. Neugierde bringt auch immer einen motivationalen Faktor mit sich. Motivation ist, glaube ich, das Wichtigste, und alles andere folgt dann. Man sollte keine Angst vor Fehlern haben, sondern bereit sein, Dinge auszuprobieren. Gerade in der aktuellen Zeit, in der fast wöchentlich neue Systeme und Medien auf den Markt kommen, ist es wichtig, Entdeckergeist mitzubringen, sich auszuprobieren und daraus zu lernen.
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