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Mirjam Berle
20.06.2024   Glosse
Eins noch...
Diskretion – ein Plädoyer
In Zeiten, in denen Transparenz als eines der obersten Gebote der Kommunikation gepriesen wird, könnte man meinen, die gute alte Diskretion habe ausgedient. So mancher versteht mittlerweile unter Transparenz, dass jeder Gedanke und jede Emotion ungeniert in die Welt hinausgetragen werden sollte – am besten über Kanäle, die maximale Reichweite versprechen.

Doch ist es nicht eine gefährliche Illusion zu glauben, wir müssten uns keinen diskreten Raum mehr bewahren? Einen geschützten Rückzugsort, an dem wir die Dinge noch einmal Revue passieren lassen oder Worte abwägen können, bevor wir sie öffentlich machen?
 
Gerade wenn es komplexe oder heikle Situationen zu meistern gilt, ist Diskretion von unschätzbarem Wert. Sie ermöglicht das Innehalten und strategische Durchdenken der Lage, bevor wir vorschnell handeln. Denn wer bei brenzligen Themen unreflektiert und ohne strategisches Vorgehen alles direkt offenlegt, riskiert leicht einen Flächenbrand.
 
Stattdessen kann die diskrete Rücksprache mit vertrauten Außenstehenden, die ein geeignetes Maß an Fachkenntnis mitbringen, eine ungemeine Erleichterung bedeuten: Hier lässt sich aussprechen, was (noch) nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Hier dürfen auch Zweifel und Bedenken ungefiltert Raum greifen. Diskret und unter uns.

Im Schutzraum der Diskretion können wir ungeschönt nach den richtigen Worten, Strategien und Taktiken suchen – befreit vom eigenen oder fremden Erwartungsdruck. Erst wenn wir die Klarheit erlangt haben, die wir brauchen, gilt es, den diskreten Modus zu verlassen. Dann kann Transparenz schrittweise und überlegt erfolgen. Um ihre wahre Kraft zu entfalten, braucht sie kein „immer alles sofort“, sondern das Richtige zur richtigen Zeit.
 
Die scheinbar aus der Mode gekommene Diskretion erweist sich so als wertvolle Ressource in einer Welt der ständigen Erwartungshaltung, jederzeit kommunikativ auf der Höhe zu sein. Vielleicht ist es ja an der Zeit, der Diskretion wieder bewusster mehr Platz in unserem Kommunikationsalltag einzuräumen? Als letzte Bastion des ungefilterten Nachdenkens und Aussprechens. Als Labor für die richtigen Gedanken, Worte und Taten.
 
Kontakt zur Autorin: kontakt@mirjam-berle.de
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