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News / Eins noch…
Frank Behrendt
17.06.2024   Glosse
Eins noch…
Viel zu schlau für unsere Welt
Ich bin sicher, diese Spezies ist euch auch schon begegnet: Eltern, die ihre Kinder für besonders hochbegabt halten. Vor einem weiblichen Exemplar dieser Gattung ergreife ich regelmäßig die Flucht - meist erfolglos. Wie die Spinne Thekla in der TV-Serie „Biene Maja“ wirft sie ihr Netz aus und fängt arme Passanten wie mich gnadenlos ein.
 
„Wie schön, dass wir uns sehen“ ist immer der Auftakt, das Zitronengesicht des Opfers wird stoisch ignoriert, bevor ein Sturzbach an Heldensagas über einem niedergeht, gegen den die Niagara-Fälle ein trauriges Rinnsal sind. Zentrales Thema ist immer ihr Söhnchen, dem ein befreundeter Pädagoge angeblich eine „außergewöhnlich hohe Intelligenz“ bescheinigt hat. Schließlich konnte der Wunderknabe schon vor dem Kindergarten bis 100 rechnen und auch ganze Sätze schreiben, als die anderen Würmchen sich noch durch die Grundlagen des ABC quälten.
 
Bei Elternversammlungen mussten diverse Mamis und Papis außergewöhnlich oft eine Raucherpause einlegen - sogar diejenigen, die gar nicht rauchten. Die Mutter des vermeintlich hochbegabten Mitschülers war einfach unfassbar anstrengend. Stets klagte sie, dass ihr Junge zu wenig gefördert würde, der Stoff zu trivial wäre und die anderen Kinder Förderunterricht nehmen sollten, um das Niveau der Klasse anzuheben. Irgendwann gaben die Lehrkräfte auf und der kleine Schlaumeier durfte eine Klasse überspringen. Es war wie eine Befreiung nach jahrelanger Knastzeit.
 
In der neuen Klasse kam der Überflieger nicht zurecht, es lag natürlich an der unfähigen Lehrkraft. Es erfolgte ein Schulwechsel. Dummerweise tauchte der künftige Einstein dann in der Sportgruppe des örtlichen Turnvereins wieder auf. Immer, wenn ich dort harmlos auf meinen Nachwuchs wartete, kam die ambitionierte Superstar-Mum um die Ecke und ich bekam einen Kübel Heldentaten kredenzt. Inzwischen programmierte das Bürschchen eigene Computerspiele. „Besser als Fortnite“, wusste die stolze Mutter zu berichten.
 
Dafür war die Karriere als Mitturner nicht von langer Dauer. Die Kursleiterin, eine herzensgute Frau in den 60ern, hatte irgendwann die Nase voll: „Der hat immer andere ohne Vorwarnung zu Boden geworfen und wollte kämpfen“, klagte sie. Nach diversen Beschwerden von Eltern bei der Vereinsspitze wurde der wilde Kampfsportler aus der Gruppe entfernt. Die Mutter war außer sich, beschwerte sich überall. Erfolglos.
 
Als ich sie neulich traf, erzählte sie, dass ihr Kleiner nun Golf spielt - mit einem eigenen Trainer. Der wäre von seinem Talent absolut überzeugt. Ich wunderte mich nicht. Nichts anderes als der neue Tiger Woods konnte schließlich bei den sensationellen Eltern herauskommen! Als der Sohn einer Nachbarin kürzlich seine Mutter besuchte, traf ihn plötzlich ein Gummigeschoß! Ein Pfeil mit Saugnapf klebte auf seiner Stirn, er war zu perplex um sich aufzuregen. Hinter einer Hecke kam dann der Schütze laut schreiend hervor. „Du bist tot, du bist tot“ brüllte er.
 
Der hochbegabte Programmierer und künftige Golf-Pro hatte selbstverständlich wieder mitten ins Schwarze getroffen. Die Mutter kam laut quietschend hinterher: „Ist es nicht toll? Ich habe die Szene gefilmt, die jetzt für das Computerspiel animiert wird, das mein Junge gerade programmiert.“ Der getroffene nette Mann ging kopfschüttelnd von dannen. Als ich ihn das nächste Mal vor dem Haus seiner Mama traf, blickte er sich in Erwartung eines neuerlichen Angriffs hektisch um. Er raunte mir zu: „Manche Eltern gehören gemeinsam mit ihren Zwergen echt in einen Hochsicherheitstrakt.“
 
Kontakt zum Autor: frankzdeluxe@gmail.com
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