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Jana Benzinger (li.), Madeleine Magne ©ETAS
10.06.2024   Diversity
„Mit starren Schablonen würde man der Vielfalt der Bedürfnisse nicht gerecht werden“
Charleen Bermann, Jana Benzinger und Madeleine Magne diskutieren über konkrete Erfahrungen im Jobsharing, die größten Herausforderungen und wie sich berufliche und private Ziele besser vereinbaren lassen.
In der heutigen Arbeitswelt gewinnen flexible Arbeitsmodelle immer mehr an Bedeutung. Das Job-Sharing-Modell bietet vielfältige Vorteile, sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber. Jana und Madeleine sind seit 1. März 2024 gemeinsam Head of Marketing and Communication bei Etas, einem Anbieter für Software Defined Vehicle-Lösungen in Stuttgart, einer 100%igen Tochergesellschaft von Bosch.
 
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, das Job-Sharing-Modell zu nutzen?
 
Jana: Wir hatten uns bei Bosch kennengelernt und wollten beide wieder Führungsaufgaben übernehmen, aber weiterhin in Teilzeit arbeiten. Als wir offene Vollzeitstellen gesehen haben, dachten wir daran, uns diese aufzuteilen. Innerhalb der Bosch-Gruppe wird dieses Modell gefördert und immer öfter umgesetzt. Da wir uns bereits durch unseren Job vorher kannten, ähnliche Auffassungen und Arbeitsweisen haben, ergriffen wir die Gelegenheit, uns als Duo auf eine Vollzeitstelle zu bewerben.
 
Also war das so gar nicht ausgeschrieben, sondern ihr habt es als Modell vorgeschlagen?
 
Jana: Genau, in der Stellenbeschreibung war das Job-Sharing nicht vorgesehen. Aber während des gesamten Bewerbungsprozesses war es kein Problem. Die Geschäftsführung hat die Vorteile erkannt und es gab keine kritischen Fragen zum Modell, was uns sehr gefreut hat. Wir sind das erste Job-Tandem auf Führungsebene bei Etas.
 
Was sind eurer Meinung nach die Grundvoraussetzungen, die für ein gelingendes Modell erfüllt sein müssen?
 
Madeleine: Ich finde, es gibt zwei Grundvoraussetzungen. Zum einen müssen sich die Kompetenzen und Erfahrungen ergänzen. Zum anderen sollte das Werte- bzw. Führungsverständnis annähernd deckungsgleich sein. Ist das zu gegenläufig, verliert man sich in Diskussionen und Auseinandersetzungen.
 
Wie teilt ihr die Verantwortlichkeiten untereinander auf?
 
Jana: Von Anfang an haben wir entschieden, dass wir bestimmte Themen wie Personal, Budget und Teamentwicklung gemeinsam angehen. Wir haben ein relativ großes Team mit über 30 Personen und möchten, dass sie uns als eine starke Einheit wahrnehmen. Auch die Schnittstelle zum Vorstand managen wir gemeinsam, um möglichst effizient zu sein. Natürlich ergeben sich dabei Überschneidungen. Daher ist es besonders wichtig, sich inhaltlich klar abzugrenzen und Schwerpunkte zu setzen.
 
Madeleine: Wir haben uns verschiedene Schwerpunktprojekte und Leuchtturmprojekte aufgeteilt. Grundsätzliche Themen wie interne und externe Kommunikation haben wir so verteilt, dass jede die Bereiche übernimmt, in denen sie mehr Erfahrung hat. So konnten wir schnell und effektiv arbeiten.
 
Welche Herausforderungen und Vorteile habt ihr bisher in eurem Job-Sharing-Modell erlebt?
 
Jana: Eine Herausforderung ist sicherlich der Abstimmungsbedarf. Wir müssen immer die Balance zwischen notwendiger Abstimmung und Effizienz finden. Aber die Vorteile überwiegen deutlich. Besonders in Stoßzeiten oder bei globalen Meetings können wir uns besser aufteilen und die Kapazitäten erhöhen. Darüber hinaus bietet es eine bessere Abdeckung bei Krankheit oder Urlaub bis hin zur Erhöhung der Arbeitskapazität in Spitzenzeiten.
 
Welche positiven Überraschungen oder Erkenntnisse habt ihr durch das Job-Sharing-Modell gewonnen?
 
Madeleine: Wir waren überrascht, wie schnell und gut wir in die gemeinsame Arbeit einsteigen konnten. Wir bringen die doppelte Kompetenz und Erfahrung mit und man durchdenkt die Dinge in zwei Köpfen. Somit kommen wir schneller zu tragfähigen Entscheidungen. Da wir wichtige Dinge gemeinsam besprechen und Feedback geben, vermeiden wir spontane Bauchentscheidungen. Oft finde ich beim Zusammenfassen meiner Gedanken für Jana bereits eine Lösung. Das gemeinsame Überdenken führt zu reiferen und durchdachteren Entscheidungen. Ich war positiv überrascht, was das bewirkt hat.
 
Habt ihr nicht dauerhaft die Frage im Hinterkopf, ob die andere Person über alles Wichtige Bescheid weiß?
 
Madeleine: Nein. Eine wichtige Kompetenz im Job-Sharing ist das Loslassen. Jana und ich haben klar abgegrenzte Themen, und ich vertraue darauf, dass sie ihre Aufgaben gut macht. Man muss mit der Lücke leben, nicht in alle Details involviert zu sein, und dennoch die getroffenen Entscheidungen mitzutragen. Diese Kompetenz hat man als Führungskraft sowieso. Für uns ist es ganz normal, offen und vertrauensvoll damit umzugehen.
 
Jana: Man muss das auch relativieren. Wenn einer von uns auf ein operatives Thema angesprochen wird, indem er nicht den letzten Stand des Anderen hat, dann fragen wir einfach nach. Das passiert auch in anderen Schnittstellen, dass man mal den aktuellen Stand nicht kennt.
 
Hat sich eure Rolle, Praktiken oder auch Philosophien als Führungskraft verändert, seitdem ihr das Modell nutzt?
 
Madeleine: Unsere Führungshaltung hat sich nicht grundlegend verändert, da unsere Philosophie von Anfang an ähnlich war. Wichtig ist, auf einem gemeinsamen Werteverständnis aufzubauen, sonst dauert es länger, bis man sich eingespielt hat. Natürlich lernen wir voneinander und passen unsere Methoden an, aber die Grundhaltung bleibt gleich.
 
Habt ihr auch negative Erfahrungen gemacht?
 
Jana: Keineswegs. Die Reaktionen reichen von ganz unaufgeregt bis hin zu interessiert und fasziniert. Niemand hat uns grundsätzlich in Frage gestellt. Alle finden es sehr interessant. Das zeigt auch, dass Kooperationsmodelle wie Führungsteams und agile Teams bereits weit verbreitet sind.
 
Madeleine: Unser Job-Tandem sorgt definitiv für Bekanntheit. Man steht im Fokus und wird mit gesunder Neugier und manchmal auch Skepsis beobachtet. Die Frage "Wie läuft das?" kommt oft auf. Wir merken, dass wir für viele, besonders jüngere Leute, zu Vorbildern werden. Sie beobachten uns und denken, dass sie das auch gerne ausprobieren würden. Kürzlich hat sich bei Etas ein weiteres Job-Tandem gebildet, ein Mann und eine Frau, die sich eine Stelle teilen. Inspiriert durch die guten Erfahrungen, die mit uns bereits gemacht wurden.
 
Wer nutzt denn eurer Meinung nach solche Job-Modelle?
 
Jana: Job-Sharing wird hauptsächlich von Eltern genutzt, die Kinder betreuen. Aber nicht ausschließlich: Es gibt auch andere private Gründe, wie die Pflege von Angehörigen.

Madeleine: Ich promoviere beispielsweise noch berufsbegleitend. Ich habe eine Familie und trage praktisch drei Hüte, die ich miteinander vereinbaren möchte. Früher habe ich trotz meiner Familie mehr Stunden gearbeitet, ich habe meine Arbeitszeit durch das Job-Sharing nun reduziert. Der Grund dafür ist, dass ich unbedingt meine Promotion abschließen möchte. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum auch Führungskräfte ihre Arbeitszeit reduzieren möchten.
 
Ihr habt bereits über die Zukunft dieses Modells gesprochen, das immer häufiger auftaucht. Könnte es das ideale Modell der Zukunft sein? Bzw. gibt es eurer Meinung nach ein „ideales“ Modell?
 
Madeleine: Wir finden es großartig, dass neben den klassischen Vollzeit- oder Teilzeitoptionen verschiedene Arbeitsmodelle an Akzeptanz gewinnen. Aus unserer Sicht bringt dieses Modell viele Vorteile mit sich. Wir hoffen auch, dass mit zunehmender Verbreitung die Hemmschwelle sinkt, neue Modelle auszuprobieren. Persönlich glaube ich nicht, dass es ein universell ideales Modell gibt, da jeder individuelle Bedürfnisse hat. Mit starren Schablonen würde man der Vielfalt der Bedürfnisse nicht gerecht werden. Für Jana und mich passt dieses Modell momentan sehr gut; vor 10 Jahren wäre das nicht der Fall gewesen, und vielleicht ist es in 5 Jahren auch anders.
 
Jana: Wir haben auch überlegt, dass uns spontan keine Stelle einfällt, die nicht im Jobsharing umsetzbar wäre. Allerdings gibt es sicherlich Menschen, für die Jobsharing nicht geeignet ist. Die Grenze hängt wahrscheinlich mehr von der jeweiligen Person als von der Rolle ab.
 
Bei Fragen rund um das Job-Sharing-Modell stehen Jana und Madeleine unter folgenden Mailadressen zur Verfügung: jana.benzinger@etas.com und madeleine.magne@etas.com
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