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News / „Diversität bietet Lösungen für Herausforderungen an“
Jo Labecka ©Sven Serkis
13.05.2024   Diversity
„Diversität bietet Lösungen für Herausforderungen an“
Im Gespräch mit Charleen Bermann spricht Jo Labecka, Manager bei der PROUT AT WORK-Stiftung, über die Erfahrungen und Tipps zur Nicht-Binarität, den Mut, Fragen zu stellen und wie Diversität als grundlegender Wert in Unternehmen verankert wird.
Magst du dich einmal vorstellen?
 
Ich bin Jo Labecka und nutze keine Pronomen im Bezug auf meine Person. Aktuell bin ich als Strategy und Corporate Partnerships Manager bei der PROUT AT WORK-Foundation tätig. Dort betreue ich Unternehmen in in ihrer Reise zu mehr LGBT*IQ Inclusion. Mein Studium der angewandten Linguistik ermöglichte es mir, verschiedene Unternehmensbereiche und Schnittstellen kennenzulernen, bevor ich als Diversity & Inclusion Specialist bei der Deutschen Bank tätig war. Mein Fokus lag damals auf allen Diversity-Dimensionen. In meiner aktuellen Rolle bei der Stiftung konzentriere ich mich auf queere Dimension, wir arbeiten aber natürlich auch intersektional.
 
Was ist dir an deiner Arbeit am wichtigsten?
 
Mir ist es wichtig, dass wir Veränderungen bewirken können. Wir arbeiten eng mit Unternehmen zusammen, um Maßnahmen umzusetzen, die ein inklusiveres Arbeitsumfeld schaffen. Es ist mir wichtig, diesen positiven Einfluss in den verschiedenen Organisationen zu sehen und zu fördern. Gleichzeitig glauben wir fest daran, dass Unternehmen eine bedeutende Rolle auf gesellschaftlicher Ebene spielen können. Sie können Vorbilder sein und durch ihre Maßnahmen dazu beitragen, dass sich die Situation für viele Menschen positiv verändert. Wir führen verschiedene Kampagnen durch, die politische und gesellschaftliche Veränderungen anstreben und unsere Partnerunternehmen unterstützen uns in den Bemühungen, den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.
 
Was bedeutet Diversität für dich?
 
Für mich bedeutet Diversität erstmal Repräsentation. Vielfalt in der Gesellschaft ist eine Tatsache, die nicht künstlich erzeugt werden kann, sondern ein Fakt ist. Wesentlich finde ich das Thema Inclusion, d.h. die Wertschätzung der Unterschiede. Erst dann kann sich das Potenzial der Vielfalt entwickeln, wenn wir inklusiv mit allen umgehen und ein Umfeld schaffen, in dem Menschen sich authentisch zeigen können. Nur dann können ihre Ideen gehört und wertgeschätzt werden.
 
Diversity kann auch eine Herausforderung sein, da die verschiedenen Unterschiede zwischen Menschen nicht immer einfach in Einklang zu bringen sind. Aber wenn wir Vielfalt gut begleiten und unterstützen, ist sie definitiv eine Bereicherung und eine große Chance.
 
Du hast erzählt, dass du keine Pronomen besitzt. Hast du Tipps, wenn man dem noch nicht begegnet ist und für einen völlig neu ist?
 
Ich erkläre immer, dass ich mir wünsche, dass mein Vorname als Pronomen genutzt wird und ermutige dazu, Fragen zu stellen und nicht zu zögern, wenn ein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Denn letztendlich geht es darum, in den Dialog zu treten und Neues zu erkunden. Viele möchten vielleicht vermeiden, ins Fettnäpfchen zu treten, aber um ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, brauchen wir Verbündete. Das bedeutet unter anderem auch, dass wir uns aus unserer Komfortzone herausbewegen und versuchen, unser Bestes zu geben. Fehler zu machen und daraus zu lernen ist ein natürlicher Teil dieses Prozesses.
 
Anstatt sich komplett von der Kommunikation zurückzuziehen, weil man unsicher ist, wie man eine Person ansprechen soll, ist es wichtig, Fragen zu stellen und sich zu bemühen, die Wünsche der Person zu respektieren. Und wenn es nicht auf Anhieb klappt, ist das nicht das Ende der Welt. Es ist eine Gelegenheit, etwas Neues zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.
 
Hast du denn damit auch schon negative Erfahrungen gemacht oder bist Menschen begegnet, die das „verweigern“?
 
Ich bin mir seit über 15 Jahren bewusst, dass ich nicht-binär bin. Zu Beginn meiner Karriere teilte ich dies mit einem Kollegen, aber das Feedback, dass so etwas nicht existiert, war entmutigend. Es führte dazu, dass ich beschloss, das Thema grundsätzlich nicht mehr im beruflichen Umfeld anzusprechen. Ich weiß, wer ich bin und wie ich mich identifiziere, und ich möchte nicht, dass meine Identität geleugnet wird.
 
In meiner Arbeit für die Stiftung wurde mir jedoch klar, dass ich eine Verantwortung habe, meine Identität sichtbarer zu machen, da ich in meiner Rolle auch eine Vorbildfunktion übernehme. Es ist wichtig, Sichtbarkeit dafür zu schaffen, trotz der Aussagen, die gemacht werden, die solche Identitäten ignorieren oder nicht wertschätzen. Jedes Mal, wenn ich mein Coming-out als nicht-binäre Person habe, trägt dies dazu bei, dass die Menschen aufgeklärt werden und erkennen, dass es nicht-binäre Personen gibt. Sie existieren überall, auch wenn nicht alle offen darüber sprechen.
 
Hast du Tipps für Personen, die auch so fühlen und nicht wissen, wie man das Thema ansprechen kann?
 
Wichtig sind natürlich Safer Spaces – egal ob digital oder physisch. Ich höre oft von Menschen, die sagen, dass sie kaum andere Personen aus ihrer Gemeinschaft kennen oder noch nie mit einer anderen nicht-binären Person gesprochen haben. Das ist wirklich traurig. Ich denke, es ist wichtig, in den Austausch zu gehen, um die Geschichten anderer zu hören. Mein Tipp wäre, sich einfach auszuprobieren und sich nicht zu scheuen, neue Wege zu erkunden.
 
Als ich bei der Stiftung angefangen habe, habe ich mich intensiv mit dem Thema Pronomen auseinandergesetzt, um herauszufinden, was für mich passt. Ich habe verschiedene Möglichkeiten ausprobiert und festgestellt, dass keine Pronomen in der Ansprache am besten zu mir passen. Es ist wichtig, keine Angst davor zu haben, den eigenen Weg zu wählen und zu erkennen, dass Geschlechtsidentität ein fließendes Konzept ist. Wir müssen keine lebenslangen Entscheidungen treffen, es ist in Ordnung, sich zu verändern und zu wachsen.
 
Und hast du da auch schöne Erfahrungen sammeln können?
 
Es ist immer eine schöne Erfahrung, wenn Leute mich darauf ansprechen und fragen. Ich schätze es wirklich, wenn Menschen Interesse zeigen und mehr erfahren wollen, anstatt meine Identität abzulehnen oder zu ignorieren.
 
Wie können Unternehmen dazu beitragen eine inklusivere Arbeitsumgebung zu schaffen?
 
Diversität ist ein sehr breites Thema, bei dem man sich schnell verzetteln kann. Mein Vorschlag ist immer, zunächst nach den Lücken in den Unternehmen zu suchen, da jedes Unternehmen unterschiedliche Herausforderungen hat. Die gezielten Inklusionsmaßnahmen sollten Lösungen für diese spezifischen Herausforderungen sein. Daher ist es wichtig, sich mit den unterrepräsentierten Gruppen auszutauschen und herauszufinden, wo die Herausforderungen liegen.
 
Wieso ist das Thema Diversität für Kommunikationsexpert*innen so wichtig?
 
Zum einen ist das Thema inklusive Sprache ein fester Bestandteil der Debatte rund um die wirkliche Inclusion in der Gesellschaft – wir brauchen eine Sprache, die alle mitberücksichtigt und die Menschen, die sich beruflich mit den Kommunikationsmaßnahmen auseinandersetzen, spielen in der Debatte natürlich eine entscheidende Rolle.
 
Zum anderen können Vielfalt und Wertschätzung der Unterschiede durch weitere kommunikative Maßnahmen gestärkt werden – wie z.B. durch persönliche Geschichten aus den unterrepräsentierten Gruppen. Diese Perspektiven bereichern uns und tragen zu einem inklusiveren Umfeld stark bei.
 
Wie kann man denn sicherstellen, dass Diversität nicht nur ein Trend ist, sondern als grundlegender Wert verankert ist?
 
Bei der Stiftung setzen wir stark auf Zahlen, Daten und Fakten. Es gibt einen klaren Business Case für Diversity & Inclusion im Unternehmenskontext. Es ist wichtig, dass die Organisationen sehen können, warum es immer noch Herausforderungen gibt und warum es notwendig ist, über dieses Thema am Arbeitsplatz zu sprechen.
 
Essenziell ist auch, dass die gesamte Belegschaft dies versteht, da letztendlich jede Person für die Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfelds mitverantwortlich ist. Dies ist keine Aufgabe nur für die Diversity-Abteilung oder den CEO, sondern betrifft alle. Dennoch spielen Führungskräfte eine entscheidende Rolle, und es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um inklusives Leadership zu fördern. Leider funktionieren viele Unternehmen immer noch sehr hierarchisch und Inklusivität ist noch nicht selbstverständlich.
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