Wenn einmal künftige Generationen von Schülerinnen und Schülern im Geschichtsunterricht über ihre in den Ohren eingepflanzten KI-gesteuerten Voice-Befehlssysteme das Jahr 2024 abfragen, wird der Projektionsstrahl aus den integrierten Mini-Beamern in ihren schmalen Space-Brillen einen Mann auf das Whiteboard projizieren, den wir aktuell noch alle kennen und oft verfluchen: Claus Weselsky. Er hat sich in diesem Jahr gemeinsam mit seinen Verdi-Getreuen und ihren vielen Streiks redlich um den Eintrag in die Zeitgeschichte-Apps der Zukunft verdient gemacht.
Als ich seinetwegen kürzlich wieder in der Schlange vor einem Schalter des Autovermieters SIXT stand, deren Manager aufgrund von GdL & Co nachts vor Lachen kaum noch in den Schlaf kommen, da traf ich auf zwei der von mir so geschätzten Business-Kasper. Nennen wir sie Datenschutzkonform Walter Werbehoff und Klaus-Dieter Dunkelgelb. Kollege Werbehoff hat das Handy immer im Anschlag, um wichtige Informationen an die Basis zu funken: „Frau Meyer, ich stehe noch in der Schlange beim Sixt, das kann dauern. Geben Sie schon mal im Hotel Waldeslust durch, dass ich mich etwas verspäten werde, die sollen warten.“ Seinem Kompagnon Dunkelgelb, Rollkoffer, zu eng sitzendes Sakko, Schweißperlen auf der Stirn, erklärte er blumig, dass er heute mal einen Impulsvortrag halten würde. Über Remote-Verkaufen. Ich horchte auf, denn das klang nach Slapstik pur: Ein Vertriebsgott reiste während der Streikzeit analog in ein Tagungshotel, um anderen Vertriebsjungs dort zu erklären, wie man Kunden bei digitalen Video-Calls etwas verkauft. Genau mein Humor.
Kollege Dunkelgelb, der auf dem Weg zu einem Key-Account Kunden in Nürnberg war, wie er mir und allen Umstehenden in Megaphon-Durchsage-Lautstärke detailreich mitteilte, fragte interessiert nach. „Und das sollen wir dann alle machen?“ Der große Impulsvortrags-Erleuchter Werbehoff schüttelte energisch den Kopf: „Erstmal Pilotprojekt, wir testen, ob wir da Deals so effizienter closen können.“ Klang vernünftig. Vor uns Stillstand. Ein Kunde hatte Probleme mit seiner Kreditkarte, ein anderer wollte das angebotene Fahrzeug nicht: „Keinen Chinesen, ich hatte doch einen Golf bestellt!?“ Eine freundliche Servicekraft versuchte zu erklären, dass es in den Kategorien - je nach Verfügbarkeit - verschiedene Fahrzeuge gäbe und das Foto nur exemplarisch wäre. Den Herrn mit Motiv-Krawatte und zu dicker Winterjacke, die seinen Kopf zusätzlich erhitzte, interessierte das wenig: „KEINEN CHINESEN SAGTE ICH.“
Werbehoff grinste und bemerkte. „Bevor der explodiert, würde ich dem ein Upgrade geben.“ Dunkelgelb lachte laut: „Am besten einen Japaner.“ Beide wieherten im Duett. Die Leute drehten sich um, eine Frau hinter mir zischte: „Haben die was genommen?“ Der ganz normale Wahnsinn in Weselsky-Times. Werbehoff kam nochmal auf den Remote-Verkauf zurück: „Du sparst die ganzen Reisekosten, machst mehr Tonnage am Tag, Effizienz hoch Zehn.“ Hier kannte sich einer aus. Dunkelgelb grübelte: „Aber nicht, dass die dann bei uns abbauen, und nur noch ein paar im Office digital verkaufen.“ Werbehoff blies die Backen auf: „Tja mein Lieber, nur die Besten werden überleben, das Gesetz der Wildnis“. Gönnerhaft klopfte er seinem Kollegen auf die Schulter.
Als er endlich dran war, stellte er als versierter Vertriebler direkt die Schlüssel-Frage, wie es denn mit einem Upgrade aussehe? Die nette Dame mit dem orangefarbenen Halstuch schüttelte den Kopf: „Heute habe ich da wenig Spielraum, Sie wissen doch, Streik.“ Werbehoff zog grummelnd ab. Mit einem BYD. Aus China.
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