Eine unangenehme oder peinliche Gesprächssituation, bei der man am liebsten zu Boden gucken würde – wer von uns kennt das nicht?
Ich möchte euch einen kleinen lustigen Trick verraten, der mir in meiner journalistischen Anfangszeit geholfen hat, dem Blick eines brüllenden Chefs oder eines schwierigen Interviewpartners standzuhalten: den Nasen-Trick.
Als ich 19 oder 20 Jahre alt war (also vor gut 100 Jahren), führte ich mit dem stellvertretenden Tiroler Landeshauptmann (= Ministerpräsident) ein Interview, das mit einer Schreiattacke endete.
Ich fragte den Politiker, der für die 4.500 Bediensteten der Tiroler Landesverwaltung zuständig war (und mehr verdiente als jeder österreichische Bundesminister), frech:
„Als Landeshauptmann-Stellvertreter kassieren Sie 10 Mal soviel wie eine vollbeschäftigte Putzfrau im öffentlichen Dienst nach 42 Arbeitsjahren. Leisten Sie 10 Mal soviel wie eine Aufräumerin?"
Der Politiker (brüllend): „Das sind ja saublöde Fragen, die Sie mir stellen! Ich bin halt in der Chefetage."
Als ich (damals wenig routiniert) meinen ganzen Mut zusammennahm, um mit leiser Stimme drei Mal nachzuhaken, warf er mir „marxistische Parolen" vor. Ich wich seinem Basilisken-Blick aus und schaute – sichtlich eingeschüchtert von der Macht – wie ein beim Schwindeln erwischter Schüler auf den edlen Parkettboden im prunkvollen Büro.
Tage später traf ich einen älteren Journalisten, den ich mochte und schätzte. Offenherzig erzählte ich von meinem unsicheren Auftritt. Der lebenserfahrene Kollege gab mir eine Weisheit mit, die trivial klingen mag, mir aber seinerzeit geholfen hat:
„Wenn jemand mit dir schreit oder versucht, dich einzuschüchtern oder bloßzustellen, fixiere die Nase deines Gegenübers. Der Gesprächspartner kann nicht erkennen, ob du auf seine Nase schaust oder ihm in die Augen siehst. So schaffst du es, stundenlang die giftigsten Blicke zu erwidern, ohne wie ein reuiger Sünder zu Boden zu gucken. Es ist wichtig, dass du bei jedem Interview auf Augenhöhe bist und Selbstbewusstsein signalisierst."
Sein Nachsatz mit Augenzwinkern: „Die Nase ist ein Organ, das wegen seiner drolligen Form selbst die mächtigsten Menschen der Welt nicht so furchtbar wichtig wirken lässt."
PS: Mein Interview, das ich im Auftrag einer kleinen regionalen Zeitung machte, sorgte wegen der überheblichen Antworten für Aufsehen und wurde bundesweit zitiert. Die Partei des Politikers beschwerte sich offiziell beim Chefredakteur über meine „unverschämten Fragen“. Er stand 100 Prozent zu mir.
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