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News / Eins noch…
Frank Behrendt
25.03.2024   Glosse
Eins noch…
Dann geht doch zu Netto!
Wenn ich in unserer Branche von Studien lese, bei denen ich selbst nicht gefragt wurde, bin ich misstrauisch. Diesmal stolperte ich über eine Erhebung von Mynewsdesk. Die haben kürzlich ihre Studie „PR und Kommunikation in Deutschland“ veröffentlicht. Unter uns: Was für ein flauer Titel. Damit wird in einer Fachredaktion definitiv kein News-Alarm ausgelöst.
 
Das ist umso erstaunlicher, weil Mynewsdesk im Jahr 2003 von „einem Journalisten und einem Kommunikationsexperten“ gegründet wurde. In Stockholm. Naja, vielleicht ticken die Uhren in Bullerbü einfach anders als bei uns. Breit grinsen mußte ich beim Ziel der Studie: Es sollte herausgefunden werden, wie „die Menschen aus der Branche“ - also wir - die aktuelle Situation erleben und wie unsere „Herausforderungen, Träume und Ambitionen für die Zukunft aussehen.“
 
TRÄUME – also ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber wenn ich anfangen würde, von unserer Branche zu träumen, würde ich selbige schnell verlassen. Bei den gewonnenen Erkenntnissen musste ich zweimal lesen, was da stand, um es zu glauben: Fast 60 (in Worten SECHZIG) Prozent der Befragten gaben an, dass sie angesichts der aktuellen Veränderungen deutlich verunsichert sind und sie der Wandel gar in eine berufliche Identitätskrise gestürzt hat.
 
What? Jetzt schon? Die KI, die natürlich auch unsere Zunft verändern wird, ist gerade mal am Anfang und da ist über die Hälfte der PR-Schaffenden bereits in der Identitätskrise? Da fragt sich der Laie schon, wie die ihre Arbeitgeber kommunikativ durch die Transformation führen wollen, wenn sie selbst im Tal des Zweifels zelten. Es kommt noch dicker: Über die Hälfte der Befragten erklärten, sie würden ernsthaft überlegen, ihre Stelle zu kündigen. Wahrscheinlich, weil sie glauben, dass es hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen noch PR-Jobs in versteckten Würstchenbuden gibt, bei denen man von den Veränderungen nix mitbekommt.
 
Die Mehrzahl der befragten Branchen-Vertreterinnen und Vertreter denkt noch weiter: Sie überlegen ernsthaft, ihr Arbeitsfeld vor lauter Angst vor dem Neuen komplett zu verlassen. Unsereiner hat mal gelernt, dass die Königsdisziplin in der PR die Krisenkommunikation ist. Wenn einem der Shitstorm ins Gesicht peitscht, wenn die Wellen der Empörung dich überrollen, wenn die Medien ihr Urteil mit dem Beil in den Newswald schlagen - DANN stehst du da wie ein Fels in der Brandung und führst deine Company mit klugen Worten und Strategien zurück ins Reputationslicht. Aber was weiß ich als PR-Dinosaurier schon von den Sorgen und Nöten der Neuzeit?
 
Bei allem Schreck über die Erkenntnisse, die diese Studie an den weisen Analysestrand spülte: Es gibt ein zartes Pflänzchen der Hoffnung: „Die deutschen PR- und Kommunikationsfachleute“ gaben an, dass sie „bestrebt sind“, in ihren Unternehmen und in der Gesellschaft „allgemein eine zentralere und wirkungsvollere Rolle“ zu übernehmen. „Allgemein“ - Aha! Da können sich alle wieder herrlich im Gebüsch der Unverbindlichkeit verstecken.
 
Mein finales Fazit dieser wegweisenden Daten-Erhebung ist einfach: Wenn ihr Angst vor Veränderungen habt und bei neuen Herausforderungen direkt in die Identitätskrise schlittert, „dann geht doch zu Netto!“. Da könnt ihr Euch gemeinsam mit dem Chor der Jammerlappen hinter Kasse drei oder dem Käseregal verstecken und warten, bis diese furchtbare Transformation vorbei ist.
 
Kontakt zum Autor: frankzdeluxe@gmail.com
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