"Den Qualitätsjournalismus wertschätzen, den wir noch haben"
DPRG Präsident Nils Haupt im Gespräch mit Hanna Kleber über die Entwicklungen, Erfahrungen und Trends der Reisebranche. Die Gründerin und Inhaberin der auf Tourismus und Lifestyle spezialisierten Beratung Kleber Group ist langjähriges Mitglied der DPRG.
Du bist jetzt seit einigen Jahrzehnten schon in der DPRG und im Tourismus tätig. Wie hat sich die Kommunikation in deiner Branche in den letzten Jahren verändert?
Ich glaube, dass sich die Kommunikation von einem einspurigen Weg zu einer zehnspurigen Fahrbahn verändert hat. Wir haben heute mit ganz anderen Medien zu tun als damals. Früher waren es die klassische Zeitung, das Magazin, das Fernsehen, das Radio und ein paar Stakeholder, mit denen wir kommunizieren mussten. Dazugekommen sind die ganzen Social-Media-Kanäle. Sie beeinflussen Meinungen schneller, aber nicht immer korrekt.
Insgesamt haben wir eine Reihe an neuen Kommunikationskanälen bekommen, die wir alle bedienen müssen, und hierbei zeigt sich auch die Problematik der Schnelllebigkeit: Früher wusste man, dass die Zeitung in zwei Tagen gedruckt wird und man Zeit hat, alles fertig zu stellen. Heute stehen Informationen schon in den sozialen Netzwerken, bevor man darüber nachdenken konnte, und das ist gerade in Krisenfällen herausfordernd.
Welche Qualitäten und Kompetenzen müssen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren heute mitbringen, um dieser Branche standhalten zu können?
Sie sollten den Qualitätsjournalismus und auch die wenigen guten Journalisten und Journalistinnen wertschätzen, die wir noch haben. Andererseits müssen sie sich natürlich mit den neuen Medien auseinandersetzen. Und: Auch im Tourismus führen die Journalistinnen und Journalisten einen wahnsinnigen Kampf, Inhalte und Geschichten überhaupt noch unterzubringen, da Umfänge oder Sendeplatz dramatisch gekürzt werden müssen.
Die Reisebranche hat sich generell stark verändert: Von unzähligen Reisebüros und Airlines zu neuen Reiseformen. Was sind die größten Trends der letzten Jahre?
Der Reisebranche wurde durch Covid in gewisser Weise die Existenz genommen. Wir haben von heute auf morgen aufgehört zu existieren, da man nicht mehr reisen konnte. Viele Veranstalter konnten sich durch Spezialisierungen auf gewisse Reisen oder Kontinente im Markt stabilisieren oder ihre Stellung sogar ausbauen. Aber nach Covid hat sich gezeigt, wie wichtig das Reisen in unserer Gesellschaft ist: Alles, was neben dem täglichen Bedarf entbehrlich ist, wird gern in das Reisen investiert, und da besteht ein großer Nachholbedarf. Reisen gehört quasi zur „Lebenspyramide“ dazu. Es ist ein Bedarf, der erfüllt werden möchte.
Wie hat sich die Rolle der PR-Agenturen, die auf Reisen spezialisiert sind, verändert? Sind sie noch wichtiger geworden als vorher?
Als Agentur müssen wir nach wie vor herausarbeiten, was der USP eines Landes ist und auch welche konkreten Hotels und Angebote es gibt, da die Wünsche sehr individuell sind. Wir Agenturen sind wichtig, um schnell die Trends zu erkennen und die Beratung dahingehend anzupassen. Ich arbeite zum Beispiel viel für Afrika. Dort raten wir Ländern, nicht die gleichen Fehler zu machen, wie andere Reiseorte es getan haben – Overtourism oder Ausbeutung der Natur sind hier zwei Themen. Zugleich ist es wichtig darzustellen, dass Tourismus Arbeitsplätze und Bildung schafft.
Was sind aus deiner Sicht die großen Trends der nächsten Jahre?
Die Zeiten der Billig-Reisen sind vorbei. Alle Hotels sind teurer geworden, und auch die Flugpreise gehen stark in die Höhe. Es wird sich zeigen, inwieweit die Menschen bereit sind, die Kosten zu bezahlen. Laut Prognosen sind die Menschen stärker bereit als vor Covid, mehr Geld für ihre Reisen auszugeben. Auch junge Leute suchen eine Beratung im Reisebüro auf, um Sicherheit und eine Ansprechperson zu haben, falls dann doch etwas passiert.
Der Reisetrend hat sich dahingehend entwickelt, dass die Menschen individuell angesprochen werden möchten und ihre eigenen Erlebnisse schaffen wollen, ob kulturell oder kulinarisch. Die Menschen möchten nicht mehr als Masse in den Urlaub gehen, die individuelle Experience steht im Vordergrund. Die Menschen interessieren sich unter anderem vermehrt für Food-Touren und kulinarische Highlights.
Gibt es auch „große Verlierer“ der letzten Jahre?
Zum Beispiel bedroht das veränderte Klima den Wintertourismus. Bei den Bergregionen muss ein Umdenken stattfinden. Sie sollten mehr auf Sommertourismus setzen sollten, zum Beispiel Hiking- oder Aktivtourismus.
Wie hast du die DPRG in den letzten Jahren wahrgenommen und was sollten wir bei der DPRG verbessern?
Ich finde die DPRG als Plattform sehr wichtig, um uns auszutauschen. Wir müssen zu aktuellen Themen immer wieder Stellung beziehen und unser Berufsbild weiter schulen, da es viele Bereiche gibt, in denen wir viel lernen und uns weiterbilden können.
Anlässlich der aktuellen Situation sollten wir als gesamter Verband die Stimme erheben und uns über Themen wie die Demokratie äußern und die Medien auch fordern und fördern. Wir sollten uns mehr mit einer objektiven Berichterstattung auseinandersetzen und auch mutig sein, unsere Geschichte zu erzählen. Denn die Bedeutung unserer Branche ist hoch.