Wie sich die Hamburger Morgenpost neu erfindet, erfuhren die Teilnehmer*innen eines Redaktionsbesuchs der DPRG Nord.
„Sagen, was ist“ – wer Maik Koltermann zuhört, könnte meinen, dieses legendäre Motto von SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein habe sich im Laufe der Jahre durch die Elbarme und Alsterkanäle einen Weg gebahnt: von dem SPIEGEL-Gebäude in der Hamburger HafenCity zu den Ottenser Redaktionsräumen der Hamburger Morgenpost (MOPO).
Chefredakteur Maik Koltermann jedenfalls nimmt am 5. März beim Besuch der DPRG Landesgruppe Nord kein Blatt vor den Mund. Er erzählt von einer Chefredakteurs-Konferenz in Berlin mit pausenlosen Gesprächen über sinkende Auflagen, von Reichweite als „süßem Gift“ und der allgemeinen Furcht, nicht schnell genug hinterherzukommen mit Bezahlschranken und neuen Abo-Modellen. Und er erzählt, wie die MOPO den Ausweg aus der Krise sucht und ab dem 12. April zur Wochen- statt zur Tageszeitung wird.
Wer Koltermann zuhört, merkt auch: Der Mann hat eine Vision. Er glaubt an den Lokaljournalismus und zwar an den guten. An Berichterstattung mit Reporter*innen, die wirklich an Events teilnehmen, statt nur aus der Ferne darüber zu berichten und mit Themen, die die Menschen beschäftigen. Von Menschen über Menschen für Menschen, sozusagen.
„Print braucht einen Mehrwert”
Koltermann berichtet über die Geschichte der Hamburger Morgenpost als ältester Boulevardzeitung Deutschlands. 1949 gegründet, feiert das Blatt in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag. Und genau in diesem Jahr werden aus sechs Ausgaben pro Woche nur noch eine. Der Grund: „Niemand will heute noch die ausgedruckten Nachrichten von gestern lesen.“ Stattdessen arbeitet die Redaktion an einem vollkommen neuen Konzept: 44 Seiten Hamburg-Berichterstattung, 20 Seiten Sport, 40 Seiten Event-Programm.
Das Redaktionsteam will Themen setzen und damit künftig immer am Freitag nach vorn blicken, nicht zurück: „Nachberichterstattung funktioniert online nur Minuten nachdem ein Event stattgefunden hat, Print braucht dagegen einen Mehrwert. Den schaffen wir mit längeren Stücken in einer längeren Ausgabe.“ Mit der Wochenausgabe wollen Koltermann und sein Team auch dem Wunsch nach Good News Rechnung tragen: „Wir sind deutlich weniger krawallig als noch vor einigen Jahren“, so Koltermann. „Und diese Entwicklung geht weiter. Boulevard ist mehr als Blaulicht. Wir brauchen einen guten Themenmix und menschliche, gut verständliche Geschichten.“
Digitalstrategie der MOPO zahlt sich aus
Dass diese Umstellung nicht leicht wird, ist Koltermann nur zu bewusst. Für die strategisch richtige Entscheidung hält er den Schritt dennoch. Die Anpassung an neue Lese-Gewohnheiten scheint der Hamburger Morgenpost auch in den vergangenen Jahren gut gelungen zu sein. Die Website verzeichnet rund 450.000 Besucher*innen täglich, 75 Prozent davon kommen direkt über die Seite und nicht über Google-Suchen oder andere Verlinkungen. Damit erwirtschaftet das Blatt rund die Hälfte seines Umsatzes schon heute digital – Tendenz: steigend. „Wir waren eines der ersten Blätter, die auf eine Website gesetzt haben, das zahlt sich heute aus“, erzählt Koltermann weiter.
PR-Mailings? Bitte kurz!
Mit seinem Team von 80 Leuten wünscht Maik Koltermann sich von den PR-Profis vor allem eines: „Kommen Sie zum Punkt!“. Wer ein Thema anzubieten hat, solle sich per Mail bei der Redaktion melden, aber bitte kurz und knackig. Denn: „Wir denken in Überschriften. Je knackiger der Betreff, desto einfacher für uns.“
In diesem Sinne kurz und knackig: Vielen Dank für den wunderbaren Abend!
Und in etwas länger: Rund 25 DPRG-Mitglieder und Gäste fanden am 5. März bei der Hamburger Morgenpost zusammen und lauschten Chefredakteur Maik Koltermann und Marketingchefin Michaela Schirrmann. Nach gut 1,5 Stunden Input, gab’s noch eine Redaktionsführung und Gelegenheit für einen Schnack bei Drinks und Snacks. Vielen Dank an das Team der MOPO für die ehrlichen Einblicke und die perfekte Organisation.
Hört sich gut an? Alle Events und Veranstaltungshinweise gibt’s unter dem Reiter der
Landesgruppe Nord oder persönlich vom DPRG-Nord-Vorstand: Fabian Virgil, Annika Remberg, Elke Hildebrand und Tim Hinz.
Text: Annika Remberg
Fotos: Elke Hildebrandt & Annika Remberg