Im Gespräch mit Prof. Dr. Michael Bürker, Professor für Marketing, Kommunikation und Marktforschung an die Hochschule Landshut (HAW)
Michael Bürker hatte schon früh einen Traum für seinen Berufsweg: 50 Prozent seiner Zeit wollte er in einer Kommunikationsberatung arbeiten, die anderen 50 Prozent wollte er wissenschaftlich tätig sein. Der Traum wurde Wirklichkeit: Bürker ist heute Organisationsberater für Medien und Kommunikation („Kommunikation weiterdenken“) sowie Senior Advisor der SCRIPT Consult GmbH in München. Davor war er Gründer und bis 2016 Geschäftsführender Gesellschafter der ComMenDo Agentur für Unternehmenskommunikation in München. Er berät und begleitet Unternehmen und Organisationen seit über 25 Jahren in Fragen der strategisch ausgerichteten Unternehmens- und Medienkommunikation.
Wie nur wenige verbindet er PR-Forschung und PR-Praxis. In seiner wissenschaftlichen Arbeit an der Hochschule lehrt er zu Themen der Unternehmens- und Nachhaltigkeitskommunikation, Content-Strategien, Unternehmens- und Markenpositionierung, PR-Evaluation und Kommunikationscontrolling – immer in der Verbindung von Kommunikationstheorie und -praxis. Besonders interessiert ihn, Psychologie und Soziologie im Kommunikationsmanagement zu integrieren. Sein Credo: Theorie macht Praxis besser.
Inwiefern hat sich Kommunikationscontrolling durch die Digitalisierung verändert?
„Es gibt viel interessante Forschung zur digitalen Messbarkeit von Kommunikation. Die Digitalisierung beeinflusst zweifellos die Arbeit von Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, zugleich sehe ich eine Überbetonung von messbaren Daten. Da wird gemessen, was gemessen werden kann. Aber man stellt nicht die Frage, ob das immer sinnvoll ist. Das erinnert mich ein bisschen an den Betrunkenen, der nachts seine Schlüssel verloren hat. Er sucht verzweifelt unter einer Straßenlaterne und dann kommt jemand vorbei und fragt: „Kann ich helfen, wo haben Sie den Schlüssel denn verloren?“ Und er antwortet: „Da drüben hinter den Büschen.“ – „Aber dann suchen Sie doch nicht unter der Straßenlaterne!“ – „Aber hier kann ich so gut sehen.“
Was heißt das? Wir brauchen aussagekräftige und belastbare Forschungsdesigns. Und wir müssen berücksichtigen, dass nicht jede Kommunikation im digitalen Raum bzw. im Internet stattfindet. Zentrale Steuerungsgrößen für die Kommunikation wie Reputation und Unterstützungsbereitschaft lassen sich so nicht erfassen. Die intelligente Balance zwischen digitalen Ansätzen und bewährten empirischen Methoden bleibt für Wissenschaft und Praxis eine zentrale Herausforderung.“
Im Bereich der Lehre setzt Bürker auf praxisnahe Projekte. Im Bachelor-Studium werden Themen wie die Entwicklung von Content-Strategien in Praxisprojekten mit Unternehmen behandelt. Im Master-Studium liegt der Fokus auf Unternehmenskommunikation und Markenpositionierung. Eine innovative Ergänzung ist die Integration von Psychologie und Soziologie, um Studierende ganzheitlich auf die zunehmenden Herausforderungen einer immer komplexeren Praxis vorzubereiten.
Daneben hat sich Bürker in den vergangenen Jahren mit Startups und regionalen Unterschieden bei Gründungen beschäftigt: Als besonders interessant haben sich die Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Startups gezeigt: „Wir haben in einer großangelegten empirischen Studie untersucht, wie sich Startups auf dem Land und in der Stadt unterschieden. Und wir haben herausgefunden, dass die städtischen Gründer ganz anders ticken als die ländlichen. Es gibt deutliche Unterschiede, vor allem, was die Mentalität der Gründer angeht. In einer Stadt wie Berlin gibt viel mehr Startups als in Niederbayern – wenn man das jedoch in Relation zur Bevölkerung sieht, ist die Dichte in Berlin nicht viel größer als in Niederbayern.“
Wie sieht Bürker die Entwicklung der PR-Branche in den letzten Jahren?
„Die Unternehmenskommunikation hat sich unglaublich professionalisiert. Ein wesentlicher Treiber war, dass Wissenschaft und Praxis stärker zusammengerückt sind. So sprechen wir heute nicht mehr über PR, sondern über strategische Kommunikation und Kommunikationsmanagement. Wir haben als Branche einen wesentlich breiteren Fokus als noch vor einigen Jahren. Die Pressearbeit bestimmt immer noch die DNA der Kommunikation. Aber sie hat sich verändert. Sie ist heute vor allem wichtig für die Strategie- und Leadership-Kommunikation mit Meinungsbildnern, weniger für Reichweite. Und wir sehen, dass große Teile des Managements die Kommunikation mittlerweile viel ernster nehmen als das früher der Fall war.
Kommunikation ist heute ein wichtiger Enabler für viele Entscheidungen und Prozesse in Unternehmen. Und dazu kommt die technologische Entwicklung: das Internet Mitte der 90er, dann die sozialen Medien Mitte der Nullerjahre und schließlich das Smartphone. Diese Technologiesprünge waren zugleich Innovationssprünge für die Kommunikationsbranche. Und mit generativer KI und CommTech steht das Kommunikationsmanagement erneut vor einem Quantensprung.“
Sein Blick auf die Studierenden von heute fällt differenziert aus:
„Die Studierenden sind heute deutlich selbstbewusster, aber zugleich verunsichert – das empfinde ich als paradox. Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen. Doch genau besehen waren die Krisen vor 30 Jahrem gar nicht so viel anders: RAF-Terror, Ölkrise, Nachrüstungsbeschluss, Waldsterben, Atomkraft. Warum haben uns diese Krisen damals nicht so existenziell berührt? Weil wir noch keine Smartphones hatten und keine sozialen Medien. Heute sind alle Krisen nur noch einen Klick von uns entfernt. Ich bin überzeugt, dass der Negative Bias der Nachrichtenflut junge Menschen heute sehr verunsichert.
Kann ich mich auf Informationen verlassen? Kann ich den Quellen vertrauen? Natürlich sind Studierende von heute prinzipiell besser ausgebildet, auf der anderen Seite sehe ich, dass die Lesefähigkeit massiv sinkt. Viele Jugendliche sind gut darin, Schlagzeilen und Content Snacks aufzunehmen. Zugleich tun sie sich schwer, Texte mit 10-15 Seiten Umfang zu lesen, um komplexe Zusammenhänge verstehen und analysieren zu können. Sie brauchen dafür viel mehr Zeit als früher, und sie tun sich schwer, Inhalte konsistent zusammenzufassen. Beides sind jedoch Kernkompetenzen von guten Kommunikator*innen.“
Seit 28 Jahren ist Bürker mittlerweile in der DPRG engagiert, seit mehr als drei Jahren als Vorsitzender der DPRG-Landesgruppe Bayern. Wie hat sich aus seiner Sicht die DPRG verändert?
„Unser Berufsverband ist in den letzten Jahren deutlich lockerer, jünger und weiblicher geworden. Corona war ein wichtiger Schub für die DPRG. Der Verband musste plötzlich komplett auf digitale Veranstaltungen umsteigen. Das hat richtig gut funktioniert. Es gab viel mehr Vernetzung über die Regionalgruppen hinaus. Wir haben in Bayern viele neue Interessierte aktivieren können, die wir vorher gar nicht erreicht hätten. Vielfältiger und bunter sind auch unsere großen Events wie der PR-Tag und der Take-off der Arbeitskreise.
Es war eine gute strategische Entscheidung, mit dem Oberauer Verlag eng zusammenzuarbeiten. Allerdings würde ich mir wieder mehr inhaltliche Reflektion und Diskussion in der DPRG wünschen, so wie das früher intensiv in den DPRG-Arbeitskreisen geschehen ist. Der Arbeitskreis Wertschöpfung mit seinem Wirkungsstufenmodell als Rahmen für das Kommunikationsmanagement war eine Benchmark – weit über Deutschland hinaus. Die DPRG ist die richtige und einzige Plattform für solche Diskurse.“
Kontakt:
michael.buerker@haw-landshut.de