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Wolfgang Ainetter
24.02.2024   Glosse
Eins noch...
Die neue Ära der Kaffeehaus-Kommunikatoren
In meiner Lieblingsstadt Wien ist das Kaffeehaus bis heute eine kulturelle Institution. Vor gut 100 Jahren schrieben im Café Central, dem Cafe Museum oder dem Griensteidl bedeutende Autoren Texte für die Ewigkeit. Zu den sogenannten Kaffeeehausliteraten zählten etwa Karl Kraus, Robert Musil, Friedrich Torberg, Joseph Roth oder Hugo von Hofmannsthal. 
 
Kaffeehausliteraten sind leider Geschichte. Aber authentische Cafés sind nach wie vor Zufluchtsorte der Inspiration, der Ideen und Eingebungen. Mich selbst überkamen im Wiener Café Hummel oder im Berliner Manzini mindestens 999.999 Gedanken, davon 999.998 verrückte und ein kluger (den ich vielleicht in einer der nächsten Kolumnen verrate).
 
Als ich vor 28 Jahren in Wien meinen ersten Redakteursjob antrat, trafen sich die Presseleute regelmäßig in sogenannten Journalistencafés wie dem legendären Oswald & Kalb, um sich den Gossip in der Politik zu erzählen, über exklusive Storys zu prahlen oder bis spät in die Nacht über Kollegen zu lästern. Die Arbeit war schon damals ausufernd, doch man hatte noch Zeit, kreativ zu sein. 
 
Heute sind die meisten Journalisten zu Akkordarbeitern geworden, die ihre Redaktionen aus Zeitgründen nicht einmal mehr zu Recherchezwecken verlassen können und statt eigener Storys dpa-Meldungen aufpeppen. Und wer Agenturen betritt, fühlt sich oft wie in einer Anstalt für Hyperaktive – zack, zack, zack. Freunde aus der Branche sitzen mitunter sieben Stunden am Stück in Marathonsitzungen. Wie soll da etwas Originelles, Einmaliges, Noch-nie-Dagewesenes rauskommen?
 
Ich wünsche mir, dass Chefs ihre Kreativen einmal pro Woche einen ganzen Tag ins Kaffeehaus schicken. Ich bin überzeugt: Die Kampagnen in diesem Land würden (noch) spannender und origineller – und die Ideen mindestens ebenso brillant wie die Geistesblitze von Kraus, Musil, Torberg, Roth oder von Hofmannsthal. Die neue Ära der Kaffeehaus-Kommunikatoren.
 
Autor: Wolfgang Ainetter, E-Mail: wolfgang@ainetter.com
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