Wir brauchen weniger Abgrenzung und mehr Wir-Gefühl.
Janine Langlotz leitet die globale interne Kommunikation von DHL Express, einer Division der DHL Group. Vorher verantwortete sie im Unternehmen seit 2021 den Bereich Digital People Content und baute ein neues globales Social Intranet auf.
Janine, inwieweit beschäftigen dich bei deiner Arbeit Diversity Themen?
Sie sind essentiell, gerade was die interne Kommunikation angeht. DHL Express beschäftigt 120.000 Mitarbeitende in 220 Ländern und Territorien. Diese Vielfalt in der Belegschaft erfordert eine empathische interne Kommunikation, die auch die Themen Diversity, Equity, Inclusion und Belonging (DEIB) widerspiegelt. DEIB ist eines unserer Leitthemen und wird das ganze Jahr über zu verschiedensten Anlässen thematisiert.
Dabei gehen wir immer auch auf regionale Unterschiede oder Besonderheiten ein. So kann ich bestimmte Themen in Europa oder Nordamerika eher ansprechen, und weniger im Mittleren Osten, Teilen von Asien oder in Afrika. Deshalb bereiten wir auf globaler Ebene Toolkits vor und überlassen es dann den Regionen, ob und wie sie das jeweilige Thema aufgreifen.
Was ist das wichtigste Thema für euch, wenn es um DEIB geht?
Unser Ziel ist es, dass sich jeder Mitarbeitende bei DHL Express wohl und zugehörig fühlt und gerne zur Arbeit kommt. Dafür setzen wir in der internen Kommunikation Jahr für Jahr andere Themenschwerpunkte. Seit dem vergangenen Jahr gehen wir zum Beispiel mehr auf die Vielfalt der Generationen ein. Zuvor gab es einen starken Fokus auf die LGBTIQ+ Community, die sich sehr stark zu Wort gemeldet hat. Man spürt, dass sich hier das Ringen um Aufmerksamkeit gelohnt hat – die LGBTIQ+-Freundlichkeit von DHL macht uns besonders. Wir beschäftigen uns in der Kommunikation auch mehr mit im weitesten Sinne psychischen oder physischen Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Autismus, oder Gehörlosigkeit. Jede*r kann sich bei uns verwirklichen und die eigenen Stärken voll einbringen, zum Beispiel eine bessere Konzentrationsfähigkeit beim Sortieren und Entdecken von Auffälligkeiten bei Paketen.
Wie arbeitet ihr mit internen Fokus- oder Aktivistengruppen im Bereich DEIB?
Diese Gruppen sind sehr wichtig: Sie bestehen teilweise seit Jahrzehnten und sind weltweit aktiv, zum Beispiel im Bereich der Karriereförderung für Frauen (DHL4HER), LGBTIQ+ und Neurodiversität. Diese Gruppierungen arbeiten mit den Mitarbeitervertretungen und dem lokalen Management zusammen, um Themen vorantreiben und durchzusetzen. In der internen Kommunikation machen wir ihre Geschichten sichtbar.
Wie groß sind die regionalen Unterschiede im Thema DEIB?
Wir versuchen in der globalen Kommunikation nicht zu polarisieren oder zu provozieren. Kontroverse Themen diskutieren wir nicht global. Die Regionen können selbstständig entschieden, welche Themen sie umsetzen. LGBTQI+ Themen finden beispielsweise im Mittleren Osten oder in Afrika nur sehr begrenzt statt, auch weil sie zum Teil strafrechtlich relevant sind. Altersgerechtigkeit wiederum ist ein Thema, das gerne weltweit aufgegriffen wird.
Warum seid ihr da verhältnismäßig zurückhaltend?
Unsere vorsichtige Herangehensweise spiegelt unser Bestreben wider, kulturelle und regionale Unterschiede mit Respekt und Empathie zu behandeln. Wir sind darauf bedacht, Verbindungen zu schaffen und Verständnis füreinander zu vertiefen, ohne unbeabsichtigt Missverständnisse zu erzeugen. Wir erkennen die Vielfalt und Komplexität der Welt an und verstehen, dass unsere Möglichkeiten, Veränderungen herbeizuführen, durch bestehende gesellschaftliche Strukturen begrenzt sind. Diese Einsicht prägt unser Handeln, indem wir stets inklusiv agieren und die globalen Dynamiken respektieren.
Wie bewertest du die Diskussion um DEIB in der Kommunikationsbranche und in der DPRG?
Ich sehe da noch zu wenig Aktivität. Wir reden gerne darüber, wie andere zu DEIB kommunizeren. Aber in der Branche und in der DPRG geht da noch was! Wir sollten mehr und intensiver dazu kommunizieren, auch um das Bewusstsein zu stärken, für Vielfalt einzutreten und um DEIB vorzuleben. Wir Kommunikationsexpertinnen und -experten sind es ja, die gemeinsam mit den Personalverantwortlichen die Unternehmenskultur vorleben und gestalten. Mir ist es in der Branche und im Verband manchmal zu still.
Du selbst bist eine lesbische Frau – wie gehst du damit im Berufsleben um?
Es ist eine Reise. Als ich nach meinem Master erstmals in ein Unternehmen der Pharmabranche einstieg, habe ich mich sehr zurückgehalten. Es gab gefühlt niemanden im Team, der auch als LGBTQI+ geoutet war, zu dem ich hätte aufblicken und mit dem ich hätte offen sein können. In den ersten Jahren im Berufsleben habe ich meine Sexualität eher versteckt. Das hat sich dann bei DHL Express geändert. Ich gehe heute offener damit um, habe es im Vorstellungsgespräch offen angespochen. Die inklusive Kultur des Unternehmens hat mir dabei sehr geholfen. Wir sind ein sehr buntes und internationales Team – und es ist hilfreich, Menschen um sich zu haben, die mit anderem Augen auf Bildwelten, auf Tonalität und inklusive Wortwahl schauen. Vielfalt tut auch und gerade Kommunikationsabteilungen sehr gut.
Was wünscht du dir mehr, wenn es um DEIB Themen geht?
Ich wünsche mir, dass wir verschiedene Meinungen und Blickwinkel stärker zulassen und uns auf einen Diskurs und einen Perspektivenwechsel einlassen. Wir sind als Gesellschaft leider sehr gefangen in Identitätsdiskussionen, in denen man sich stark voneinander abgrenzt. Es wäre doch viel besser, wenn wir sagten: “Wir sind alle Menschen und eine Community. Lasst uns versuchen, Dinge gemeinsam voranzubringen trotz unserer Unterschiede.“ Wir brauchen weniger Abgrenzung und mehr Wir-Gefühl.
Wie wichtig sind die Aktivitäten wie Gay Pride bzw. der Christopher Street Day?
Früher war es für mich ein willkommener Anlass zu feiern und Spaß zu haben. Heute haben diese Veranstaltungen für mich einen eher politischen Zweck: Vielfalt sichtbar zu machen und zu zeigen, dass wir ein nicht zu vernachlässigender Teil der Gesellschaft sind. Angesichts der Stärke der AfD ist die Teilnahme an solchen Events das klare Signal: wir sind Viele und wir werden für unsere Rechte weiter kämpfen. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir auch, dass unsere Branche und auch die DPRG noch stärker und lauter einstehen für die Wichtigkeit von DEIB in der Gesellschaft und für die Demokratie.