Please wait...
News / Von Konsumenten zu Kreatoren
Urs Meier
14.02.2024   Review Lunch Talk
Von Konsumenten zu Kreatoren
Wie die Gen Z das Spiel verändert und Marken herausfordert, das war auf dem DPRG Lunch Talk mit Urs Meier am 8. Februar zu erfahren.
Nils Haupt: Urs, könntest du uns etwas über den Garden of Youth erzählen? Wie kam es zur Gründung und wie kann man sich eine Unternehmensberatung vorstellen, in der hauptsächlich 20-Jährige oder Personen in ihrem zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt arbeiten?
 
Urs Meier: Mit 21 Jahren bin ich wahrscheinlich einer der jüngsten Teilnehmer in diesem Gespräch. Wir sind eine besondere Agentur, vor allem sehr jung. Die jüngste Person in unserem Team ist tatsächlich erst 15 Jahre alt. Garden of Youth ist eine Agentur, die sich auf die Kommunikation mit der jungen Zielgruppe spezialisiert hat. Wir haben ein junges Team, das großen Unternehmen hilft, die junge Generation besser zu verstehen.
 
Wir entwickeln auch Kampagnen, führen Forschung durch und arbeiten teilweise sogar an Produktentwicklung für diese Zielgruppe. Das Ganze begann vor fünf Jahren. Das Kernteam besteht aus Personen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Wir haben auch einige erfahrene Mitarbeiter, die teilweise von etablierten Agenturen wie Jung von Matt kommen. Wir kombinieren also die Stärken beider Welten.
 
NH: Es gibt viele Fehleinschätzungen über die Gen Z, die oft von den Medien aufgegriffen werden. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass die junge Generation immer kritisch betrachtet wird, ein Phänomen, das schon bei den alten Griechen zu beobachten war. Aber was sind aus deiner Sicht die größten Fehleinschätzungen, wenn über diese Generation gesprochen wird?
 
UM: Es wird viel über die Gen Z gesprochen. Zum einen denken viele, dass junge Leute den ganzen Tag am Handy hängen und unkreativ sind. Sie werden oft auch als ‚Social Natives‘ bezeichnet, die ein Leben ohne Internet nicht mehr kennen. Das stimmt zwar, aber ich denke, es ist wichtiger zusehen, was sie mit ihren Handys machen. Meine Eltern können auch Instagram bedienen oder bei Amazon bestellen. Digital native zu sein ist also keine besondere Fähigkeit mehr. Früher hieß es, dass 90 Prozent der Leute auf Social Media nur Inhalte konsumieren, neun Prozent interagieren und nur ein Prozent erstellt selbst Inhalte. Das ist bei der Gen Z komplett anders. Auf Plattformen wie TikTok erstellen 60 Prozent der Gen Z mindestens einmal pro Woche eigene Inhalte. Sie sind nicht nur Konsumenten, sondern vor allem Kreatoren.
 
Jeder, der eine gute Idee hat, kann sie umsetzen. Das bedeutet, dass Unternehmen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit nicht mehr nur gegen andere Unternehmen antreten. Wenn eine Marke heute auf TikTok postet, fragt der Algorithmus nicht, ob er den Beitrag der Marke oder eines Konkurrenten zeigen soll. Jeder 15-Jährige mit einer besseren Idee gewinnt den Kampf um Aufmerksamkeit. Die Ideen oder Videos dieser Jugendlichen funktionieren oft besser auf Social Media und werden daher vom Algorithmus mehr gefördert als zum Beispiel Beiträge großer Marken. Dieser Kampf um Aufmerksamkeit und die Tatsache, dass jeder in der Zielgruppe Schöpfer ist, führen zu einem Clash.
 
NH: In deiner Präsentation hast du auch über junge Unternehmer gesprochen, die erfolgreiche Geschäftsmodelle auf digitaler Basis entwickeln.
 
UM: Früher mussten junge Leute, wenn sie etwas Geld verdienen wollten, etwa Zeitungen austragen oder babysitten – als Beispiele. Durch das Internet können sie heute auf verschiedene Weise Geld verdienen. Das reicht von ‚Normalos‘, die für ihre gelegentlichen Posts bezahlt werden, bis hin zu 15-Jährigen, die in virtuellen Spielen wie Roblox virtuelle Welten aufbauen und in virtuellen Währungen verdienen. Die sich ausrechnen, wenn ich jetzt in diesem Videospiel 10.000 Stück von einem bestimmten Skin kaufe, also einen virtuellen Gegenstand aus einem Videospiel, der heute 13 Cent pro Stück wert ist, und den ich in einem Jahr vielleicht für 20 Cent verkaufen kann, dann habe ich 7 Cent Gewinn pro Stück. Das ist faszinierend, wie junge Menschen immer mehr eigene Geschäftsmodelle entwickeln, die oft digital oder virtuell sind. Ich denke, das wird für die Generation Alpha noch normaler sein.
 
NH: Wer macht deiner Meinung nach einen besonders guten Job darin, die junge Zielgruppe anzusprechen, vor allem in traditionellen Unternehmen im Handel oder in Dienstleistungsunternehmen?
 
UM: Ich bin ein großer Fan überraschender Kommunikation. Wenn etablierte Unternehmen unerwartete Personen als Gesicht ihrer Kampagne wählen, die bei der Gen Z beliebt sind, kann das sehr effektiv sein. Ein Beispiel ist Kaufland. Sie haben einen starken Fokus auf die Gen Z und verstehen, wenn die Marke bei der jungen Generation gut ankommt, dass sie vielleicht auch ihre Eltern überzeugen können, den Wocheneinkauf bei Kaufland zu machen. Kaufland arbeitet oft mit jungen Influencern zusammen, um Produkte zu entwickeln. Sie haben zum Beispiel einen Algen-Likör mit Knossi, einem bekannten Streamer, herausgebracht. Sie bringen die Social-Media-Kultur der Gen Z ins Fernsehen und schaffen es, Produkte zu entwickeln, die von jungen Leuten auf Plattformen wie TikTok unterstützt werden.
 
Ein weiteres Beispiel ist die Sparkasse, die kürzlich einen TikTok-Kanal gestartet hat. Sie reagieren humorvoll auf Hass-Kommentare. Es ist interessant zu sehen, wie traditionelle Unternehmen die Sprache der jungen Zielgruppe sprechen und auf Plattformen präsent sind, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Überraschende und auf die Zielgruppe zugeschnittene Ideen werden oft belohnt.
 
NH: Ihr habt doch auch den FDP-Politiker, Thomas Sattelberger, auf Tik Tok platziert. Wie sieht es denn deiner Meinung nach allgemein mit einer passenden Gen Z Ansprache hinsichtlich der politischen Kommunikation aus?
 
UM: Wir als Agentur widmen uns allgemein gerne Themen oder Kunden, die etwas tricky sind. Als sich aber Thomas Sattelberger bei uns gemeldet hat, um etwas in Social Media zu machen, waren wir zugegebenermaßen anfangs auch eher etwas überrascht. Wir haben uns dann aber Formate wie einen speziellen Podcast oder eine Challenge überlegt, mit denen er auch die jüngere Zielgruppe ansprechen kann. Heute kann man ihn als den Tik Tok Politiker bezeichnen. Wir haben hierfür übrigens auch den PR-Report Award für politische Kommunikation gewonnen, was für mich als 20 Jähriger völlig unerwartet war.
 
Ich glaube daran, dass auch die politische Kommunikation mehr Entertainment und eigene Formate auf neuen Kanälen braucht. Gerade die Jüngeren werden hier oft von den meisten Parteien unterschätzt. Leider ist die AfD hier in punkto Social Media seit langem besser und entsprechend erfolgreich. Aus diesem Grund sind wir absolut offen für demokratische Parteien, die uns ansprechen, wie sie sich neu oder anders auf Social Media präsentieren können, selbst wenn sie dafür etwas aus ihrer Comfort Zone rauskommen müssen. Das halten wir als Agentur für unsere politische Pflicht.
 
Auszug aus der Aufzeichnung des Lunch Talk Interviews mit Urs Meier. Das komplette Interview finden Sie in der dazugehörigen vimeo-Aufzeichnung.
 
Ankündigung:
 
Der nächste DPRG-Lunch Talk findet am 22.2.24 ab 12:00 Uhr mit Dr. Martin Andree, Medienwissenschaftler und Experte für Digitalisierung, Medien und Marketing statt.
Branchenpartner
Die NEWS der DPRG werden unterstützt von
Sie wollen immer auf dem Laufenden sein? Bestellen Sie jetzt unseren Newsletter!