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Wolfgang Ainetter
04.02.2024   Glosse
ICH + ICH
Stellt euch vor, ihr seid auf einer Veranstaltung und ein Typ, den ihr noch nie gesehen habt, kommt auf euch zu und labert euch zehn Minuten voll...
„Ich kenne im Berliner Regierungsviertel wirklich jeden. Alle Mächtigen hören auf mich. Vorgestern früh hat mich Olaf Scholz aus dem Bett geklingelt, weil er einen Tipp zur Rettung des Haushalts brauchte, gestern hat mich Robert Habeck persönlich in den Wärmepumpen-Beirat berufen, und heute hat mich Christian Lindner eingeladen, ihn im Regierungshubschrauber nach Sylt zu begleiten.“
 
Der Ego-Typ textet euch mit lauter Superlativen zu („der Erste, der Beste, der Coolste!“) – und ihr kommt gar nicht dazu, etwas von euch zu erzählen. Der Angeber hat nämlich nur ein Interessensgebiet: „Ich + Ich“.
 
Als er sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich vertschüsst, um die nächsten Opfer mit seinen Heldengeschichten zu quälen, denkt ihr euch: Was für ein selbstverliebter Gockel! Hoffentlich läuft mir dieser lästige Mensch nicht mehr über den Weg.
 
Könnt ihr mir sagen, warum dieses gockelhafte Auftreten im realen Leben als verhaltensauffällig gilt – aber auf Social Media als ganz normal?
 
Ich sehe mir jeden Tag Dutzende Posts deutscher Politikerinnen und Politiker durch. Die Botschaft an die Follower ist immer die gleiche: „Ich, ich, ich.“ ICH Stargast da, ICH finanzieller Retter dort, ICH beim Austausch mit Superman und Superwoman. Oder besser: ICH Superman, ICH Superwoman.
 
Frei nach dem Motto: „Ich bin so schön, ich bin so toll. Euer Gesicht? Interessiert mich nicht!“
 
Doch Social Media bedeutet nicht, seine Heldengeschichten in Monologform zu verkünden. Social Media bedeutet, den Dialog zu suchen – mit den Bürgerinnen und Bürgern. Dazu gehört auch, Fragen zu stellen – und auf Fragen zu antworten, die nicht immer angenehm sind.
 
Mein Wunsch an die Politik:
 
WENIGER „Warum bin ICH so wichtig?“
 
MEHR „Was ist EUCH wichtig?“
 
Denn selbst der egozentrischste und selbstverliebteste Poltiker sollte wissen: Community Management ist der wichtigste Pusher für (kostenlose) Reichweite.

Autor: Wolfgang Ainetter, E-Mail: wolfgang@ainetter.com
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