Professor Olaf Hoffjann über die postfaktische Demokratie
In einem Gespräch mit Nils Haupt beleuchtet Olaf Hoffjann, Professor für Organisationskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Aspekte, die die Zukunft der Branche prägen könnten.
Im Jahr 2024 steht die Kommunikationsbranche vor vielfältigen Herausforderungen, die von gesellschaftlichen Entwicklungen, neuen Technologien bis hin zu Veränderungen in der wissenschaftlichen Arbeitsweise reichen.
„Ein zentrales Thema, das im Jahr 2024 eine große Rolle spielen wird, ist die fortschreitende Digitalisierung und der Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Kommunikation“, sagt Hoffjann. Insbesondere die Einführung von Technologien wie Chat GPT zeige, dass die Branche in einer Phase des Ausprobierens und Sortierens sei. Die konkreten Auswirkungen und Perspektiven von KI auf die Kommunikationspraxis und Forschung seien jedoch noch nicht klar absehbar.
In Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten und den Einsatz von KI gebe es sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Die automatisierte Korrektur wissenschaftlicher Arbeiten durch KI-Systeme könnte einerseits die Effizienz steigern, andererseits aber auch neue Probleme wie Plagiate oder datengetriebene Manipulationen mit sich bringen. Der Umgang mit diesen Entwicklungen erfordere seitens der akademischen Welt eine fortlaufende Anpassung von Standards und Praktiken.
Für 2024 sieht Hoffjann zudem einen starken Fokus auf der gesellschaftlichen Klimaveränderung und den damit verbundenen Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation.
„Was mich wissenschaftlich unter anderem beschäftigt, ist die Auseinandersetziung mit der postfaktischen Demokratie, also Populismus, gesellschaftliche Polarisierung und das Wachsen der gesellschaftlichen Gräben. Sie erfordern von allen, vor allem auch den Unternehmen, eine sorgfältige Positionierung und auch strategische Entscheidungen. Und das auch angesichts der Tatsache, dass 2024 ein Superwahljahr wird, mit Europawahl, Landtagswahlen und Kommunalwahlen, vor allem im Osten Deutschlands. Die Frage, inwieweit sich Unternehmen zu politischen Themen bekennen sollten, wird zu einer zunehmend wichtigen Überlegung, insbesondere auch deshalb, weil das gesellschaftliche Umfeld anspruchsvoller, emotionaler und komplexer wird.“
Hoffjann hatte vor geraumer Zeit zahlreiche Landtags- und Bundestagsabgeordnete zum Thema „postfaktische Demokratie“ befragt. Die Ergebnisse haben ihn überrascht und erschreckt. „Jeder zweite der Befragten wähnt sich bereits in einer postfaktischen Demokratie, glaubt also, dass Aussagen zunehmend auf Gefühlen und nicht auf Tatsachen beruhen. Das ist schon eine bemerkenswerte Einschätzung. Denn das bedeutet in der Konsequenz, dass durch Desinformation sich ein immer größerer Graben durch die Gesellschaft ziehen wird.“
Ein besonderes Augenmerk von Hoffjann liegt auf der Bedeutung von strategischer Ambiguität in der Kommunikation. Die bewusste Vagheit und die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen, könnten zu einer höheren Qualität der Kommunikation führen. Dieser Ansatz steht im Kontrast zur bisherigen Praxis, klare und eindeutige Botschaften zu formulieren. Die Anerkennung und Nutzung strategischer Ambiguität könnten aus Sicht von Hoffjann zu flexibleren und anschlussfähigeren Kommunikationsstrategien führen.
Und wie nimmt er das Engagement der Studierenden wahr? Inwieweit interessieren sich Studierende der Gen Z für gesellschaftliche Themen? „Ich nehme die Studierenden heute als höchst sensibilisiert für gesellschaftliche Themen wahr. Die Diskussionen über Diversität, Rassismus und politische Positionierung spielen für sie eine zentrale Rolle. Das bedeutet für die künftigen Arbeitgeber dieser Generation, dass sie verstärkt darauf achten müssen, wie sie sich zu diesen Themen positionieren, damit sie die hohen Erwartungen ihrer zukünftigen Mitarbeitenden erfüllen können.“
Olaf Hoffjann sieht sich selbst als Streiter für Vielfalt und Meinungsfreiheit in der Gesellschaft. „Die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft – und Deutschland steht da ja nicht allein - erfordert einen offenen Dialog und einen respektvollen Umgang mit unterschiedlichen Meinungen. Für Unternehmen und Organisationen heißt das, dass sie sich bewusst sein müssen, dass ihre Kommunikationspraktiken einen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen haben können.
Organisationskommunikation muss deswegen heute sehr verantwortungsbewusst erfolgen. Insgesamt sehe ich für die kommenden Jahre eine sehr dynamische Entwicklung in der Kommunikationsbranche, geprägt von technologischen Innovationen, großen gesellschaftlichen Herausforderungen und der Notwendigkeit, flexible und anschlussfähige Kommunikationsstrategien zu entwickeln.“