"Einmal still sein". So überschrieb die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Wochenende einen Artikel. Kerstin Bund plädiert darin für „mehr Stille in einer lauten Welt“. Es seien die Extrovertierten, die leichter (und lautstärker) durchs Leben gingen als die leisen, in sich gekehrten Menschen.
In der Tat: die Lauten sind es oft, die sich in der Öffentlichkeit durchsetzen. Viele dieser Radaumachenden werden von den Medien geliebt, weil sie für Quote und/oder Auflage sorgen, weil sie polarisieren und selbst auf komplexe Fragen schnelle und meist auch einfache Antworten haben. Die Lauten bedienen ihre Follower auf Social Media mit dem, was ankommt: das Drastische, das Plakative, das Schrille. Die Zahl der Ausrufezeichen übersteigt in ihren Posts jene der Gedankenstriche. Die Lauten machen Stimmung, sie stehen mitten auf den Marktplätzen der Eitelkeiten und brüllen ihre Parolen in die Welt. Rücksicht auf andere ist ihre Sache nicht. Es geht um Lautstärke, um Dominanz, um Präsenz, nicht unbedingt um die besten Argumente.
Wir kennen diese extrovertierten Zeitgenossen auch aus dem Berufsalltag, denn nicht selten wählen sie bedauerlicherweise einen Kommunikationsberuf. Einer dieser Lauten war viele Jahre mein Kollege. Zu allem und jedem hatte er postwendend eine Meinung. Auch zu den exotischsten und abwegigsten Themen wusste er spontan etwas zu sagen. Und das lautstark, penetrant, selbstverliebt. Er nervte unglaublich. Doch: Er machte eine große Karriere. Und vergass natürlich nicht, jedem mit bedeutungsschwangerem Blick über seine Bedeutung und seine Unersetzlichkeit im Konzern zu berichten.
Mittlerweile ist es ruhig geworden um ihn. Es hat ganz offensichtlich nicht gereicht, laut zu sein. Deswegen mag ich die Stillen, die Bedachten, die Überlegten. Sie entziehen sich dem Trommelfeuer der schnellen Nachrichten, der Ablenkung durch Soziale Medien und sie misstrauen alarmistischen Push Nachrichten. Sie denken nach. Sie wägen ab. Vielleicht müssen gerade wir Kommunikatorinnen und Kommunikatoren wieder lernen, mehr den Leisen und Überlegten zuzuhören. Fundierte, balancierte und wohlüberlegte Kommunikation ist es wohl, was wir wieder mehr brauchen. Im öffentlichen Raum, im Beruf, im privaten Leben. Und manchmal auch: Einfach mal still sein.
Nils Haupt
DPRG-Präsident
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