„Das war ein Bertha-Benz-Moment“
Es gibt keinen Short-Cut zu KI. Sie ist das Sahnehäubchen auf der Digitalisierung. Und: Wird es einmal ein Siegel für „menschgemachte Inhalte“ geben? Starke Aussagen auf dem DPRG Lunch Talk am 21. Dezember. Klar ist: 2023 war ein „Bertha-Benz-Moment“.
Wäre nicht Bertha gewesen! Die resolute und durchsetzungsfähige Frau des Auto-Erfinders Carl Benz war es, die 1888 mit ihrer Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim der bislang wenig beachteten und scheinbar chancenlosen Schöpfung ihres Mannes das Image einer sinnhaften und nützlichen Technologie verpasste.
Für Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken, war 2023 genauso ein „Bertha-Benz-Moment“ – auch was Technikskepsis und Risikodenken anging: „Wir stehen am Anfang einer Technologie. Es ist der Beginn von etwas Neuem und wir wissen noch nicht, wohin es führt. Das war ein globales Innovations-Erlebnis. Da muss ich sagen, vielen Dank Open Ai, vielen Dank Microsoft – das ist genau das, was gefehlt hat.“
Im Trialog mit Moderatorin Caren Altpeter, Digitalexpertin im DPRG-Bundesvorstand, und Thomas Mickeleit, Gründer von KommunikationNeuDenken! und ehemaliger Sprecher von Unternehmen wie Volkswagen, IBM und Grundig, diskutierten die Gäste die Frage, „Fressen KI und Digitalisierung am Ende ihre Kinder?“
Doch statt sich fressen zu lassen, begrüßten diese die revolutionären Entwicklungen. Die oftmals als technikfeindlich verdächtigten Kommunikationsexpertinnen und -experten reagierten mit Euphorie und Begeisterung auf die neue Technik, stellt Thomas Mickeleit fest. Das habe die jüngste Branchen-Befragung der von ihm geleiteten Arbeitsgemeinschaft CommTech gezeigt: „Es ist das erste Mal, dass ich eine gewisse Euphorie und Begeisterung bei Kolleginnen und Kollegen für eine bestimmte Technik erlebe. Wir haben gerade den CommTech-Index Report erstellt. Da kann man klar erkennen, dass KI ganz hoch oben auf der Agenda der Kommunikatoren steht: 75 Prozent sagen, dass sie in KI eine Chance sehen. Nur sechs Prozent sagen, dass es eine Bedrohung ist.“
Also alles anders, alles neu, alles gut? Mitnichten, so Thomas Mickeleit: „Die Begeisterung, die manche Kommunikatoren jetzt für die KI entwickeln, führt dazu, dass viele denken, die KI kann ich jetzt einfach mal verwenden und alles ist gut. Und dann bin ich mit meiner Digitalisierung durch. Meine These dazu: Es gibt keinen Short-Cut zu KI. Die KI ist das Sahnehäubchen oben auf der Digitalisierung, aber ich komme nicht darum herum, meine Kernprozesse im Unternehmen zu digitalisieren.“ Denn nur dann könne die KI auch auf geeignete Daten zugreifen und ihren vollen Nutzen entfalten. „Solange ich also noch mit Papier oder einem Excel-Sheet meine Planungen und mein Kontaktdatenmanagement mache, solange wird mir die KI nicht helfen.“
Was ist nötig, fragte Moderatorin Caren Altpeter mit Blick auf die KI-Kompetenzen in der Gesellschaft: Brauchen wir für KI eine neue Kulturtechnik? Müssen wir den Umgang so lernen wie Lesen, Schreiben und Rechnen?
Beim Thema Lernen gehe es um die Fähigkeit, die Ergebnisse von KI kritisch zu hinterfragen, meinte Reinhard Karger: Die KI liefere heute keineswegs sichere und verlässliche Ergebnisse. „Das heißt, dass der Recherchemuskel immer arbeiten muss. Quasi bei jedem Satz. Man muss es überprüfen. Das tut wirklich weh, aber ich darf mich nicht von der schönen Oberfläche beeindrucken lassen.“
Zeigt sich hier eine „typisch deutsche“ Haltung, erst einmal über die Risiken diskutieren zu wollen, setzte Thomas Mickeleit entgegen. „Mich stimmt positiv, dass wir die Chancen der KI in den Vordergrund rücken und nicht sofort sagen: Das ist ja böse Technik und die kommt auch noch aus Amerika!“
Nicht um Ablehnung und Technologie-Kritik gehe es ihm, sondern um Verlässlichkeit durch Kontrolle, verteidigte sich Reinhard Karger: „Es ist großartig, dass wir immer noch dieses Engineering-Rückenmark haben, dass wir immer noch wollen, dass ein Ergebnis belastbar ist. Großartig, dass wir immer noch eine Leidenschaft für die Sorgfalt haben.“ So könne deutsche Skepsis einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass diese Systeme verlässlich und erklärbar sind. „Dass man Wissensdialoge führen kann und dass die Antworten, die man bekommt, wirklich Wissen sind, mit dem man umgehen kann.“
Bleibt die Eingangsfrage, ob eine immer leistungsfähigere und allgegenwärtige KI nicht am Ende doch ihre „Kinder frisst“, namentlich in der Kommunikationsbranche? Für Thomas Mickeleit ist diese Frage real, aber er sieht auch geeignete Antworten. „KI ist vor allem ein großer Sprung nach vorne in Sachen Produktivität. Früher hatte man vielleicht einen Pressetext für die Fachpresse gemacht. KI ermöglicht es jetzt, auf Knopfdruck Texte für ganz unterschiedliche Kanäle zu machen. Damit multipliziere ich exponentiell die Anzahl meiner Kommunikationsmittel.“
Gut für die „Early Adopter“, solange einige das machen und Vorteile davon haben. „Wenn es aber in ein, zwei Jahren alle machen? Was haben wir dann? Reden dann die Bots nur noch untereinander und was ist dann eigentlich noch der Punkt, durch den man Aufmerksamkeit erzielt? Was ist dann die wirkliche Währung von Kommunikation in solch einem Szenario?“
Hier komme wieder die authentische menschliche Kommunikation ins Spiel: Man könne und müsse sich dieser Tools bedienen, aber am Ende seien es Menschen, die mit ihrer Kreativität und Sorgfalt für die Authentizität der Kommunikation bürgen müssten. Eine Antwort könne ein Siegel für „menschgemachte Inhalte“ sein. „Das ist dann sicher auch wieder eine Chance für besonders kreative Kommunikatoren.“
Der Lunch-Talk wird präsentiert von PMG – Presse-Monitor
Text: Thomas Scharfstädt mit Unterstützung von Chat GPT
Fotos: Alex Schelbert (Thomas Mickeleit) Christian Krinninger (Reinhard Karger), Privat (Caren Altpeter)