Wie es ein Weihnachtsmann dank katastrophaler Kommunikation und höllischem Auftreten schaffte, in meiner Familie einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Ich erzähle euch heute eine etwas andere Adventsgeschichte, die vor sechs Jahren spielt. Meine kleinere Tochter war damals 5 und besuchte eine Berliner Kita. Zehn Tage hatte sie sich mit den anderen Kita-Kindern auf den Weihnachtsmann vorbereitet, fleißig ein Lied für ihn geübt („In der Weihnachtsbäckerei“) und ihm zu Ehren einen Wichtel-Tanz einstudiert.
Kurz nach 15 Uhr klopfte es dann endlich an der Tür: „Ho, ho, ho“. Das „Ho“ stand in diesem Fall für „Hochprozentig“.
Der weihnachtliche Besucher setzte sich in die Mitte der aufgeregten Mädchen und Jungen. Noch vor der Begrüßung griff er in die linke Tasche seines roten Mantels, holte eine kleine Glasflasche hervor – und trank „Wodka Gorbatschow“ auf ex.
Eltern und Erzieher reagierten mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen. Die Kinder dachten sich nichts dabei – bis zum ersten Satz, den der hohe Gast von sich gab, oder genauer gesagt, lallte: „Von drauß‘ vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen … ääähhh.“ Er stockte, wusste nicht mehr weiter. Meine ältere Tochter (7), die neben mir saß, begann zu kichern.
Aber einen angetrunkenen Weihnachtsmann bringt so schnell nichts aus der himmlischen Ruhe. Es begab sich, dass der Rauschebart nach einer längeren Pause plötzlich wie Bushido zu rappen begann: „Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr.“ Mehr Text war den Kindern nicht vergönnt. Schnell die Geschenke aus dem Sack. Und tschüss.
Danach schritt – oder wie eine Mutter sagte – wankte er zur Tür hinaus. Ich fragte schnell: „Darf ich ein Selfie mit Ihnen machen? Sie sind nämlich der ungewöhnlichste Weihnachtsmann, den ich je gesehen habe.“
Nach dem gemeinsamen Foto bot der Kita-Weihnachtsmann seine Dienste an: „Soll ich zu dir am 25. Dezember nach Hause kommen? Ich bin nicht teuer, versprochen, hahaha.“
Ich: „Aber Heiliger Abend ist doch schon am 24.!“
„Da habe ich keine Lust zu arbeiten, Digga“, entgegnete der Weihnachtsmann.
Er musste zur nächsten Kita, gleich gegenüber. Offensichtlich gelten irdische Verkehrsregeln für Himmelsboten nicht. Der Weihnachtsmann ging bei Rot über die Ampel – vorbei an staunenden Kindern, die brav auf Grün warteten.
Meine Töchter haben in ihrer Kita-Zeit mehrere Weihnachtsmänner erlebt, sie haben alle vergessen, bis auf einen: den Rauschebart mit dem Katastrophen-Auftritt. Noch heute fragen sie in der Weihnachtszeit: „Papa, kannst du uns das Selfie mit dem verrückten Weihnachtsmann zeigen?“
Autor: Wolfgang Ainetter, E-Mail:
wolfgang@ainetter.com