Ausgehend von Songtiteln kann man eine Glosse über alles schreiben, was einen so anweht in unserem medialen Zeitalter. Der Hit von Trio inspirierte Michael Behrent, einen Kommentar über die beliebte Forderung nach „klarer Kommunikation“ zu schreiben.
Mitglieder der die Regierung tragenden Parteien haben gerade wieder Kommunikationsfehler eingeräumt. Nicht zum ersten Mal. Heizungsgesetz, Waffenlieferungen, Schuldenbremse – you name it. Scholz müsse mehr erklären, ist der Tenor. Er habe mit seiner nichtssagenden Regierungserklärung zum Thema Haushalt eine Chance verpasst. Er sei im Ungefähren geblieben und habe sich nicht mal für die Fehler entschuldigt. „Kommunikatives Desaster“ liest man auch in dieser Rubrik … Und jetzt kommt die elegante Wendung zur Headline! Merz sagte klar und deutlich „Du kannst es nicht“ und meint ebenso klar „Ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht“. Macht Merz es also richtig?
„Klare und verständliche Kommunikation“ ist das gerne öffentlich geäußerte Leistungsversprechen von professionellen Kommunikatoren. Damit begründet man seinen Durchblick, Relevanz, Honorare und unsere Gehälter. Man zeigt als Kommunikator gerne auf einen kommunikativen Unfall und sagt „Mit klarer Kommunikation (meint „mit meiner Hilfe“) wäre das nicht passiert!“. Und ist sich sogar mit den Journalisten einig! Mehr geht nicht. Doch machen wir uns ehrlich: Das Leistungsversprechen von uns Kommunikatoren lautet als komplette Aussage: „Chef, ich kann Dir seeeehr helfen, Deine Interessen durchzusetzen!“ und dann kommt vielleicht ergänzend: „Lass es uns mit klarer Kommunikation versuchen!“
Was würden die Kommunikator*innen, die die defizitäre Kommunikation der Regierung beklagen ihrem Chef Scholz raten: „Chef, entschuldige Dich einfach mal für die Fehler der Regierung. Erklär jetzt doch mal ganz klar, wie Du das Haushaltsproblem lösen willst!“ Ich hoffe, keiner von ihnen würde bei der Morgenlage im Kanzleramt einen solchen Unsinn verzapfen. Denn es geht jetzt kommunikativ um die maximale Vergrößerung von Handlungsspielräumen und eben nicht um Klarheit. Herr Merz (CDU) hat klar kommuniziert? Leider hat der Berliner Oberbürgermeister Kai Wagner (CDU) ihm dann auch klar widersprochen. Herr Scholz hat nichts gesagt und alle Optionen. Herr Merz muss jetzt damit klarkommen, dass der Berliner Oberbürgermeister auch im Bundestag eine Rolle spielt.
Klar soweit?
Kontext matters, wie wir als Kommunikator*innen wissen (sollten). Wenn mein Chef, mein Unternehmen, meine Partei sich äußert, geht es um Kontrolle der Lage: in einem gegebenen Kontext den Eindruck erwecken, man habe eine klare Position, man sei handlungsfähig, jedenfalls nicht rat- oder hilflos. Die Kommunikation der Regierung ist ein kommunikatives Desaster? Nun ja, die deutsche Regierung hat leider gerade nicht die Macht, zu sagen, was der Fall ist. Bzw. sie sagt „multiple Krise“. Eine multiple Krise als Kontext für klare Kommunikation? Hilft leider auch nicht weiter, denn das funktioniert logisch nicht.
Daher geht es in der Kommunikation gerade um die Frage, wer die Macht hat, festzulegen, was der Fall ist. Wer sich hier zu früh öffentlich festlegt, hat verloren. So ein Ballgeschiebe sieht für das Publikum nicht immer schön aus. Ergebnis bisher: Scholz liegt vorne, denn er ist immer noch der Bundeskanzler. Und ich sehe niemanden, der kurzfristig mit der Macht auch das Problem erben will. (Ich bin sicher, das will nicht einmal die AfD.) (Söder fordert Neuwahlen im Sommer. Merz schweigt dazu. Er ist scho a Hund, der Söder.)
Fazit: Je verwirrender die Ereignisse und multipler die Krisen, desto größer der Wunsch nach Klarheit und Eindeutigkeit. Je vielfältiger die Meinungen, desto drängender die Forderung von Bekenntnissen. Unser Job als Kommunikatorinnen ist zu erkennen, wo wir (und unsere Chefs) an die Grenzen unserer kommunikativen Möglichkeiten geraten und diese Möglichkeiten innerhalb ihrer Grenzen bestens zu nutzen. Kommentare über wünschenswerte Wirklichkeiten überlassen wir besser den Journalisten, denn das ist deren Job. In diesem Sinne: „Da Da Da …“
ps.: Zum Abschluss eine praktische Übung: Wir haben drei Fahnenmasten vor dem Rathaus. Da hängen bisher die deutsche Fahne, die europäische und die ukrainische. Sollen wir jetzt statt der ukrainischen die israelische Fahne hängen? Entwickeln Sie Lösungen für eine klare Kommunikation unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven unserer Bezugsgruppen und schicken Sie sie an die Redaktion. Dankeeee!
pps: Ich kann mich ja nicht einmal entscheiden, klar und konsequent zu gendern!
Michael Behrent betreibt seit Anfang 2022 für den Internationalen Verein Windrose Oberursel 1976 e.V. das Kulturcafé Windrose und organisiert dort kulturelle und kulinarische Events. Seine Karriere begann er als Dramaturg am Schauspiel Frankfurt, wurde dann Mitgründer von Ahrens & Behrent und gründete 2002 seine Agentur Script, mit der er Kunden aus der Finanz-, Automobil-, Telekommunikationsbranche und dem Maschinenbau beriet. Zum Jahreswechsel 2022 übergab er die Agentur an seine Mitarbeiter.
Wichtiger Hinweis der DPRG: Der „Kommentar der Woche“ ist eine persönliche Meinungsäußerung der Autorinnen und Autoren, und stellt nicht die Meinung der DPRG dar. Bei Fragen, Anregungen und Wünschen zum Kommentar wenden Sie sich bitte direkt an den Autor unter:
Michael@Behrent-Family.de