“Das Thema Gendern sollten wir sachlich diskutieren und nicht emotional politisieren“
Im Gespräch mit Prof. Dr. Annika Schach
Annika Schach ist seit 2017 Professorin für Angewandte Public Relations an der Hochschule Hannover. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Kommunikationsstrategie und Konzeption, Sprache und Text in den Public Relations, Krisenkommunikation und aktuelle Entwicklungen in der digitalen Kommunikation. Sie arbeitet parallel als selbstständige Kommunikationsberaterin, Speakerin auf Fachveranstaltungen sowie als Autorin zahlreicher Publikationen und Fachartikel. Annika Schach gehört zudem dem Bundesvorstand der DPRG an.
Annika, mit welchen konkreten wissenschaftlichen Themen beschäftigst du dich gerade?
Ich habe kürzlich mein neuestes Buch fertiggstellt, darin dreht es sich um Diversity und Inclusion in Strategie und Kommunikation. Es bietet den ersten umfassenden Gesamtblick auf Diversity & Inclusion (D&I) in der Unternehmenspraxis – von den Grundlagen über Strategie und Maßnahmen bis zur Unternehmenskommunikation. Es richtet sich an alle, die sich professionell mit Vielfalt und Chancengleichheit im Arbeitsalltag beschäftigen und D&I in Organisationen vorantreiben wollen. Mein Buch dient als eine Art Standortbestimmung, weniger formell, aber praxisnah. Die Herausforderung liegt darin, dass die Praxis oft schneller ist als die Wissenschaft, was besonders für Studierende, die sich mit aktuellen Themen auseinandersetzen wollen, problematisch ist.
Was sind deine zentralen Erkenntnisse zum Thema?
Die Haupterkenntnisse zu Diversity stammen vorwiegend aus den USA und Großbritannien, da es in Deutschland noch vergleichsweise wenig dazu gibt. Diversity Management formiert sich gerade in Unternehmen, wobei es zwischen PR, Strategie und anderen Bereichen noch nicht stark verankert ist. Große Unternehmen investieren in Diversity Management, auch getrieben durch betriebswirtschaftliche Gründe wie den Fachkräftemangel. In Deutschland sind besonders große Unternehmen aktiv, inspiriert durch internationale Organisationen.
Wie siehst du das Thema Gendern, und was zeigen deine Forschungen dazu?
Bisher gibt es nicht viel Forschung dazu, obwohl die Debatte bekanntlich sehr intensiv und emotional geführt wird. Die Forschung hinkt der Praxis leider hinterher, und klar definierte Wirkungen lassen sich noch nicht benennen. Es ist allerdings sehr bedauerlich, dass das Thema oft politisiert wird, anstatt sachlich diskutiert zu werden.
Welche Empfehlungen hast du für Unternehmen und Organisationen, wenn es um den Umgang mit Diversity und Gendern geht?
Meine Empfehlung lautet, Strukturen zwischen Personal, Kommunikation und Unternehmensstrategie zu schaffen, um Diversity und Gender strategisch anzugehen. Ein partizipatives Framework kann helfen, die notwendigen Schritte zu entwickeln. Es ist entscheidend, dies nicht nur strategisch von oben, sondern auch unterstützend von unten anzugehen. Unternehmen sollten strategisch an bestehende Unternehmensziele anknüpfen und gleichzeitig bestehende Initiativen wie Frauennetzwerke aktiv unterstützen. Es ist wichtig, die Vielfalt der Generationen im Unternehmen anzuerkennen und aktiv zu fördern, um positive Veränderungen zu bewirken.
Du arbeitest ja sehr intensiv mit vielen jungen Studierenden. Wie nimmst du diese Generation wahr, die ja generalisierend oft als Generation Z (oder Gen Z) bezeichnet wird?
In Bezug auf die Generation Z gibt es verschiedene Anzeichen von Veränderungen im Vergleich mit Generationen davor, insbesondere in der Bindung zur Universität und den hohen Erwartungen, die an diese Generation gestellt werden. Die Herausforderung besteht darin, ihre hohe Erwartungshaltung zu managen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Generation Z nicht homogen ist, und ihre vermeintliche Digitalkompetenz oft überbewertet wird. Unterschiedliche Ansichten und Praktiken innerhalb dieser Generation sollten erkannt werden, anstatt zu generalisieren. In Bezug auf Diversity zeigt sich, dass die jüngere Generation starken Wert darauf legt, aber es gibt natürlich auch erhebliche Unterschiede in den Ansichten, besonders in Bezug auf traditionelle Familienbilder. Das Bewusstsein für Frauenrechte und Gleichstellung ist meines Erachtens nach zuweilen bei jungen Frauen noch nicht sehr stark ausgeprägt, insbesondere wenn sie das Arbeitsleben noch nicht umfassend kennengelernt haben.
Welche Themen wird die Kommunikationswissenschaft in den nächsten Jahren prägen?
In den kommenden Jahren könnten Themen wie KI und technologische Entwicklungen einen starken Einfluss auf die Kommunikationswissenschaft haben. Diskurse und Debatten, insbesondere vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Spaltungen, könnten dabei eine zentrale Rolle spielen. Die digitale Kommunikation bleibt dabei ein relevanter Aspekt.
Was sind deine Wünsche und Erwartungen an die DPRG?
Ich wünsche mir, dass die DPRG ihre Offenheit, ihren diskursiven Austausch und ihre großartige Vernetzung beibehält. In der Kommunikationsbranche, die ja Raum für verschiedene Verbände bietet, zeichnet sich die DPRG insbesondere durch ihre Zugänglichkeit und Offenheit für viele verschiedene Berufsfelder in der Kommunikation aus. Dabei sollte es auch bleiben.
Interviewpartner: Prof. Dr. Annika Schach und Nils Haupt