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News / Wenn die richtigen Worte fehlen
Nils Haupt ©Hapag-Lloyd
08.10.2023   Kommentar
Wenn die richtigen Worte fehlen
Unser Beruf lebt vom professionellen Umgang mit der Sprache und der Wahl der richtigen Worte. Es gibt Situationen, da fehlt plötzlich beides.
Anruf bei einem Freund. Auch Kommunikator. Eine Rampensau. Einer der Unverschnörkelten und Authentischen. Keiner dieser Scheinriesen. Wir reden über ein Projekt, für das ich ihn gewinnen möchte. “Klar, ich bin dabei”, sagt er spontan. Und fügt hinzu: “Aber ich habe nicht mehr viel Zeit.” Erstaunen. “Was meinst du?” - “Möglicherweise bin ich Weihnachten schon tot.” Er sagt das ganz ruhig, unaufgeregt, als sei es etwas Selbstverständliches, das auszusprechen. Ich schnappe nach Luft. Lakonisch spricht er weiter. “Krebs. Nichts mehr zu machen. Aber es geht mir gerade gut.” Er lacht. Zuhause beginnt er schon die letzten Dinge zu ordnen, verkauft Wertsachen, sortiert aus, wirft weg, macht sich bereit.
 
Einige Wochen später treffen wir uns zu einem Abendessen. Er ist gut drauf. Wir reden über unser Projekt. “Ich mach’ da erstmal ‘ne Pause”, sagt er unvermittelt. Die Immuntherapie schlägt nicht an. Der Tumor wächst. Chemo. Der Ober bringt einen Kaffee. Dann umarmen wir uns, ich muss los. Auf dem Rückweg. Grübeln. So eine Scheiße. Warum er? Warum viel zu früh? Und warum fällt es so schwer, mit ihm und für ihn die richtigen Worte zu finden? Worte finden ist doch mein Beruf. Es regnet. Und es schmerzt.
 
Nils Haupt
DPRG-Präsident
E-Mail: Nils.Haupt@dprg.de
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