KMU Talk um 8: Der Mittelstand und seine Kommunikationsprozesse
„Enfant terrible oder Chancengeber?“ war das Thema des Expertenkreises Mittelstandskommunikation am 21. Juni. Hier trafen sich wieder viele Kommunikator*innen, die die Leidenschaft für den Mittelstand teilen.
Um dieser Frage nachzugehen, galt es, tief in die Prozessgestaltung mittelständischer Betriebe einzutauchen. Hierbei half uns Ninette Florschütz - sie setzte am 21. Juni die bereits begonnene Reihe „Mangeldiagnosen versus Erfolgsfaktoren“ fort. Bislang konzentrierten wir uns auf die Betrachtung der Organisationsgestaltung im Mittelstand, nun richteten wir den Blickwinkel - als logische thematische Folgerung - auf die Gestaltung der Kommunikationsprozesse.
Ninette Florschütz nannte uns verschiedene Erfolgsfaktoren in der Prozessgestaltung mittelständischer Unternehmen:
1. Eine ressourcenorientierte Strategieentwicklung sichert die Unabhängigkeit mittelständischer Unternehmen; sie erhält die strategische Flexibilität und Handlungsfähigkeit auch in ungewissen Entscheidungssituationen.
2. Statt quantitativer Ziele nutzen die Unternehmen einen Entscheidungs- und Handlungskorridor, der die strategische Orientierung sichert.
3. Rekursive Beobachtung, Verständigung und Informationsbeschaffung sorgen für permanente Abstimmung von Organisation und Umwelt – dies sichert die Stabilität und ermöglicht schnelle Anpassungsprozesse
4. Wenig formalisierte Planungsprozesse in iterativen Schleifen erhöhen die Agilität.
5. Die Kontrolle per ‚Sichtflug‘ dient in jeder Schleife zur Beobachtung und Bewertung der Situation, so dass bei unerwünschten Entwicklungen schnell „gegengesteuert“ werden kann.
Mittelstand ist näher am Menschen
Diese Erfolgsfaktoren machen deutlich, dass es sich bei mittelständischen Unternehmen um Unternehmen handelt, die lebendig und wendig sind. Es gibt keine starren Strategien, die – weil sie einmal entwickelt wurden – auf Gedeih und Verderb nun umgesetzt und durchgezogen werden müssen. Das agile Arbeiten, das die Großunternehmen im Zuge ihrer New Work-Bewegung nun allmählich für sich entdecken, gehört beim Mittelstand zur Tagesordnung.
Und: Das mittelständische Unternehmen lebt das Motto ‚Näher am Menschen‘. In einem familiengeführten Betrieb kennt man sich. Dieser Punkt ist natürlich in der kleineren Unternehmensgröße begründet, führt aber jedoch dazu, dass ein Klima des Vertrauens und des Respekts entsteht. Feedback und ein permanenter Austausch sind wichtig und werden wiederkehrend im Prozess eingefordert.
Dieser permanente Austausch führt dazu, dass die im klassischen Strategieprozess erst am Ende des Prozesses durchzuführende Kontrolle im mittelständischen Unternehmen nicht am Ende sondern permanent innerhalb der einzelnen Schritte - Analyse, Planung, Steuerung - stattfindet. So können agile Prozesse und flexible Strategien entstehen.
KMU sind bei Kommunikationsprozessen wendig und agil
Ein weiteres Mal wurde deutlich, dass Faktoren, die den sogenannten KMUs vielfach als Mangeldiagnosen ausgelegt werden, nicht als Schwäche sondern als Stärke gewertet werden können. Unter Theoriegesichtspunkten bleibt der Mittelstand ein ‚Enfant terrible‘, jedoch ein geniales, das das Motto „Survival of the fittest“ ideal umzusetzen versteht und in puncto Flexibilität, Agilität und Wertschätzung vorbildlich agiert – und damit vielleicht sogar für große Unternehmen eine Vorbildwirkung entfalten kann.
Autorin: Catrin Keil, München