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News / Was die Pressefreiheit in Deutschland bedroht
Lotte Laloire, Maximilian von Rossek ©Privat/Florian Menath
27.04.2023   Bayern
Was die Pressefreiheit in Deutschland bedroht
Auch bei uns werden Journalist*innen in ihrer Arbeit behindert und sogar bedroht. Was sind die Ursachen, welche Aspekte stechen besonders hervor? Eine Veranstaltung der DPRG Bayern brachte Antworten.
Am 3. Mai ist der Tag der Pressefreiheit; die Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlicht dazu jedes Jahr einen Bericht zur Lage der Pressefreiheit weltweit. Dass es in Ländern wie China, Russland oder Iran keine Pressefreiheit gibt, wissen wir. Wie aber sieht es in Deutschland aus? Deutschland ist in den letzten Jahren im Ranking von Reporter ohne Grenzen zurückgefallen. Auch bei uns werden Journalist*innen in ihrer Arbeit behindert und sogar bedroht.
 
Handelt es sich dabei um Ausnahmen, oder um einen gefährlichen Trend? Mangelt es an Bewusstsein und Sensibilität, wie wichtig eine unabhängige, freie Presse für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie ist? Was sind die Ursachen für die schlechtere Lage der Pressefreiheit in Deutschland?
 
Zu diesem Thema referierten Lotte Laloire, Pressereferentin bei Reporter ohne Grenzen (RSF) in Berlin und erfahrene Journalistin, und Maximilian von Rossek, Politikjournalist mit Schwerpunkt Kommunalpolitik und Vizepräsident des PresseClub München.
 
Lotte Laloire beginnt ihren Bericht mit sehr persönlichen Erfahrungen von Gewalt und Behinderung ihrer Arbeit als Journalistin. Sie konzentrierte sich in ihrem Vortrag auf vier Aspekte, die die Pressefreiheit gefährden:
 
1. Die Sicherheit von Journalist*innen:
Diese ist vor allem auf Demonstrationen oder Veranstaltungen zunehmend gefährdet. Journalist*innen werden – trotz klarer Kennzeichnung und Vorzeigen des Presseausweisen –in ihrer Arbeit behindert und angegriffen, und zwar sowohl von aggressiven Demonstranten als auch von der Polizei. Klagen gegen Gewalt werden häufig nicht aufgenommen und haben keine juristischen Folgen für die Täter.
 
2. Die zunehmende Überwachung von Journalist*innen:
Abhören von Journalist*innen und deren Quellen ist legal und wird zunehmend praktiziert, und die Betroffenen erfahren auch nicht, ob und wann sie abgehört wurden. Journalist*innen werden häufiger von Verfassungsschutz beobachtet, die digitale Überwachung nimmt zu.
 
3. Die Medienvielfalt ist in Gefahr:
Vor allem der Regional- und Lokalzeitungen sind bedroht und werden aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt; in manchen Regionen gibt es keine lokale Berichterstattung mehr. Die Monopolisierungstendenzen bedrohen die Pressefreiheit und Vielfalt der Berichterstattung. Hier fehlt die Unterstützung der Politik.
 
4. SLAPPS (Strategic Lawsuits Against Public Participation), also strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung:
Mit dieser rechtsmissbräuchlichen Form von Klagen sollen Kritiker eingeschüchtert und kritische Berichterstattung aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Wer „geslappt“ wird (slap = engl: Schlag ins Gesicht), dem stehen hohe Anwaltskosten, jahrelange Prozesse und horrende Schadenszahlungen ins Haus. Viele Verlage und Journalist*innen knicken vor den Klägern ein.
 
Es darf nicht sein, dass Journalist*innen nicht mehr auf Demonstrationen gehen, nicht mehr berichten können über bestimmte Ereignisse, weil sie bedroht und behindert werden, von der Polizei nicht geschützt werden. Dass immer weniger Menschen den Beruf ergreifen wollen, weil sie vom Verdienst nicht leben können. Reporter ohne Grenzen und auch die Journalistenverbände unterstützen Journalist*innen und wehren sich gegen Angriffe auf die Pressefreiheit, setzen sich ein für faire Bezahlung. Sie schärfen das Bewusstsein, wie wichtig unabhängige journalistische Berichterstattung für die Demokratie ist.
 
Maximilian von Rossek beginnt auch seinen Vortrag mit persönlichen Erfahrungen: Die „Leichtigkeit ist verflogen“, der Wettbewerb und der Druck auf Journalist*innen hat sich deutlich erhöht. Vor allem kleinere Redaktionen müssen viel mehr leisten, um wettbewerbsfähig zu bleiben und stecken in einem Dilemma: weniger Kunden, weniger Einnahmen – es fehlt zunehmend an Zeit und Geld, um gute, unabhängige journalistische Arbeit mit fundierten Recherchen und qualifizierten Einschätzungen zu machen. Der Journalismus gerät in Gefahr, zum Sprachrohr von Unternehmen und anderen Auftraggebern zu werden. Und damit bekommt der Journalismus auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.
 
Aber auch von Seiten der Öffentlichkeit, der Unternehmen und der Politik sind Journalismus und Pressefreiheit bedroht: Es sinkt der Respekt und die Akzeptanz gegenüber der Unabhängigkeit des Journalismus, dem Beruf, gegenüber der Pressefreiheit. Journalist*innen sind mit dem narrativ der „Lügenpresse“ konfrontiert. Die öffentliche-rechtlichen gebührenfinanzierten Medien sind in diesem Zusammenhang sehr wichtig, um Vielfalt, fundierte Recherchen und Qualität der Berichterstattung zu ermöglichen. Problematisch für die Pressefreiheit und Unabhängigkeit des Journalismus sind allerdings hier die oft „nicht staatsfernen Besetzungen“ in den Medienräten; diese bilden nicht die Vielfalt der Gesellschaft ab und sind immer wieder selbst an Eingriffen in die Pressefreiheit beteiligt.
 
Es wird zunehmend schwerer, den Beruf mit Freude und Engagement auszuüben; viele Journalist*innen – vor allem Freie – sind wirtschaftlich in prekärer Lage. Und vor allem Frauen sind in ihrer journalistischen Arbeit stärker gefährdet und Angriffen ausgesetzt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine qualifizierte journalistische Ausbildung, in der Journalist*innen mehr erfahren über ihre Rechte; sie müssen bei der Ausübung ihres Berufs in ihren Rechten bestärkt, bei Konflikten unterstützt und Angreifer in ihre Schranken verwiesen werden. Hier sind auch Arbeitgeber, Verlage und Sender gefordert.
 
In der anschließenden Diskussion ging es auch um die gemeinsame Verpflichtung von Journalismus und Public-Relations in puncto Pressefreiheit und Meinungsfreiheit: Die Ehren-Codices für Journalist*innen und PR-Schaffende sind ähnlich. Beide sind der Wahrheit, der Wahrhaftigkeit in der Kommunikation, verpflichtet, der Ehrlichkeit, Transparenz und Fairness. Beide brauchen das Vertrauen ihrer Kunden, ihrer Zielgruppen und ihres Publikums und müssen sich dies durch gute Arbeit verdienen. Und müssen sich wehren gegen rechtswidrige Übergriffe, Parteinahmen und Beeinflussungen.
 
Autorin: Dr. Annegret Haffa

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Die Landesgruppe Bayern ist das Netzwerk für rund 350 DPRG-Mitglieder in Unternehmen, Agenturen, Organisationen und Wissenschaft im Freistaat. Wir organisieren regelmäßig Fach- und Vortragsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Firmenbesuche in München und vier Regionalgruppen. Dabei arbeiten wir auch mit anderen Kommunikationsverbänden und Hochschulen in Bayern zusammen. Ein grenzüberschreitender Austausch, vor allem mit Österreich, Liechtenstein und der Schweiz rundet das Angebot ab.

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