Wortmedizin – Worte säen, Gesundheit ernten
Informationsdefizite vermeiden, wertschätzend kommunizieren, Fragen stellen: Gesunde Kommunikation war das Thema einer Veranstaltung am 19. September. Erfahren Sie hier mehr darüber, wie Sie beruflich und privat zu einem besseren Verständnis beitragen können.
Im Rahmen ihrer ersten Präsenzveranstaltung nach der Sommerpause lud die DPRG-Landesgruppe Niedersachsen-Bremen am 19. September zu einem Impulsvortrag im Zeichen von Haltung und Achtsamkeit ein. Unter der übergreifenden Fragestellung „Wie gehen wir miteinander um?“ teilte Gastreferentin Lisa Holtmeier aufschlussreiche Einblicke in ihren Praxis- und Beratungsalltag mit Intensivpatient*innen und Ärzt*innen.
Wissenschaftlich belegt ist die Erkenntnis, dass speziell im medizinischen Umfeld eine „falsche“ Kommunikation Krankheitszustände verschlimmern und im Umkehrschluss eine „richtige“ Kommunikation die Gesundheit maßgeblich fördern kann. Dies war Anlass, sich mit dem Thema des Abends zu beschäftigen: „Wortmedizin – wie gesunde Kommunikation zum besseren Verständnis, Teamzusammenhalt und Heilungsprozess beiträgt.“
„Montagmorgen, 8:00 Uhr, Morgensprechstunde auf der Intensivstation. Die Arztvisite läuft nach dem üblichen Schema ab: Kurzbericht, Untersuchung, Diagnose. Die Mediziner agieren unter Zeitdruck, können weder längere Zeit am Bett der Patient*innen verweilen, noch mit den Betroffenen sprechen. Im Gegenteil tauschen sie über den Kopf des Betroffenen hinweg medizinische Fachbegriffe aus – und wenden sich nach kurzer Zeit ab und dem nächsten Krankenbett zu. Die Signalleuchte blinkt; ein Warnzeichen, dass sich der Zustand des Erkrankten rapide verschlechtert hat,“ startet sie ihren Impulsvortrag mit einem Einblick in ihre frühere Tätigkeit als Ergotherapeutin und fährt fort: „Ich habe mich gefragt, wie das sein kann – wo doch gerade bei der Arztvisite vor wenigen Minuten keine akuten Warnsignale aufgetreten waren.“
Hauptgrund für diesen Umstand war, so stellte sich heraus, ein akuter Anstieg des Stresslevels der Betroffenen während der Visite, die sich körperlich auswirkte.
Stressreaktionen vorbeugen: Empathische Kommunikation hilft, Missverständnisse bis hin zu körperlichem Schmerz zu vermeiden
Auf diese und ähnliche Beobachtungen hin schrieb Lisa Holtmeier ihre Bachelorarbeit darüber, wann Kommunikation bzw. Nicht-Kommunikation krank macht. Wissenschaftliche Studien haben eindeutig gezeigt, dass eine negative Kommunikation, beispielsweise persönliche Beleidigungen – auch als linguistische Gewalt bezeichnet – Menschen körperlichen Schmerz zufügen. So wurde im FMRT, der funktionalen Magnetresonanztomografie, nachgewiesen, dass unter dem Einfluss negativer Verbalattacken dasselbe menschliche Schmerzzentrum aktiviert wird, das auch bei körperlichen Schmerzen wie beispielsweise Verbrennungen reagiert.
Ein Vorfall aus der klinischen Notaufnahme ist ihr bis heute im Gedächtnis geblieben, den sie eindrucksvoll in ihrem Vortrag teilt. Darin schildert sie die Begegnung mit einem neu eingelieferten Patienten, der nach einem Schlaganfall von der Not- in die Intensivaufnahme verlegt wurde und dort von verschiedenen Disziplinen untersucht wurde, u.a. auch von der Ergotherapeutin. Die Reaktion dieses Patienten bei der Untersuchung war zunächst verstörend: Er reagierte unwirsch auf Fragen, blockierte jede Zuwendung und zeigte sich sehr unkooperativ – kurzum er verweigerte die Auskunft und schickte die Therapeutin ohne Untersuchungsergebnisse unverrichteter Dinge fort. Dennoch musste diese nach einer ersten Akzeptanz der Reaktion einen erneuten Versuch für eine Diagnose unternehmen.
Die Reaktion des Patienten war diesmal eine völlig andere als beim ersten Mal. In Tränen aufgelöst entschuldigte er sich für sein Verhalten und berichtete, dass sein Rucksack in der Notaufnahme liegengeblieben sei und er diesen dringend benötige, um mit dem darin befindlichen Mobiltelefon seine Tochter zu kontaktieren. Diese habe er morgens aufgrund ihrer Trödelei auf dem Weg in die Schule recht ungeduldig verabschiedet – und wolle sie nun dringend nach seinem Schlaganfall sprechen. Bisher hatte sich aber niemand seiner Bitte angenommen, ihm den Rucksack zu bringen. Vor allem diese persönliche Erfahrung wirkt sich langfristig in der Erkenntnis aus, die wir in der Theorie kennen und die Lisa Holtmeier erneut als Appell mit den Anwesenden teilt: „Urteilen Sie bitte nie voreilig über Menschen; Wir kennen die Geschichte und Beweggründe hinter dem Verhalten einer Person nicht.“
Schlussfolgernd teilte die Referentin drei Tipps für eine empathische und wertschätzende Kommunikation, sei es im Geschäftsumfeld oder im Privatleben.
1. Vermeiden Sie Informationsdefizite
Auch zu diesem Punkt findet sie ein plakatives Beispiel: In Ihrem Coaching-Alltag erfuhr sie von einer Mandantin, dass diese eine Einladung von ihrem Vorgesetzten erhielt mit den Worten: Bitte kommen Sie um 15:00 Uhr in mein Büro. Ohne Zusatzinformation oder Kontext konnte die Angestellte nur über den Grund spekulieren und zerbrach sich den Kopf über ein mögliches Fehlverhalten ihrerseits. Wer stattdessen als Einladender zumindest ein Stichwort angibt oder aber als Geladener einfordert, kann die Information für die gezielte Vorbereitung nutzen.
2. Kommunizieren Sie wertschätzend
Die Wahrnehmung positiver Merkmale und Details im Verhalten von Menschen hilft bei einer wertschätzenden Kommunikation. Studien haben bewiesen, dass bei Menschen, die Lob und Anerkennung erfahren, der Hormonhaushalt reagiert und Dopamin, Endorphin und beispielsweise auch Adrenalin als Eustress-Hormon produziert. Übrigens ist auch die Tageszeit entscheidend dafür, wie und ob wir mit Kritik oder negativen Gedanken umgehen können: Durch die Ausschüttung von Melatonin bei Einbruch der Dunkelheit ist das menschliche Gehirn nicht in der Lage, positiv zu denken. Infolgedessen erscheinen Probleme zur Abend- und Nachtzeit oftmals größer als sie sind. Diese Erkenntnis kann beim nächsten Mal, wenn uns Sorgen am Abend übergroß erscheinen, zumindest durch das Wissen beruhigen, dass unser Gehirn einwandfrei funktioniert.
3. Stellen Sie Fragen
Besonders, wenn wir mit Kritik konfrontiert sind, können wir den Blickwinkel durch Rückfragen beeinflussen. Das kann dabei helfen, Eigeninterpretationen zu vermeiden und stattdessen zu verstehen, was ein anderer Mensch mit einer anderen Sichtweise aussagen möchte. Ein Tipp von Lisa Holtmeier bringt auch in schwierigen Lebenslagen eine grundsätzlich positive Haltung: „Ich frage mich in solchen Situationen immer: Was ist das Gute im Schlechten?“
Bericht: Shiloo Katja Köhnke