Den Markenkern der Kirche besser kommunizieren
Was können die PR-Profis und Markenbotschafter der Kirchen tun, um einen kommunikativen Weg aus der Krise zu finden? Antworten gab es auf einer Gesprächsrunde der DPRG Nord.
Die DPRG Landesgruppe Nord hatte am 18. Mai 2022 zu einem Teams-Diskussionsabend zum Thema Kirche eingeladen. Sinkende Mitgliederzahlen, Skandale um Missbrauch, Verschwendung und Finanzbetrug haben dem Ansehen der Kirche geschadet und zwingen die kirchlichen Kommunikationsabteilungen und Pressestellen zur permanenten Krisenkommunikation. Der Begriff Kernschmelze macht die Runde, auch ist die Rede vom Untergang der christlichen Institutionen.
Vier erfahrene PR-Fachleute hatte die DPRG Landesgruppe Nord für das virtuelle Podium zum Thema Kirche gewinnen können. Der Diskussionsabend war in vielerlei Hinsicht beeindruckend, denn die problematischen Fragen rund um die katholische und evangelische Kirche wurden von den Gästen sehr offen und selbstkritisch beantwortet. Auch scheute sich niemand, kommunikative Wunden und Baustellen anzusprechen.
Gemeinsam mit den mehr als 30 Teilnehmern der Veranstaltung und dem Moderator Nils Haupt diskutierten Matthias Kopp, katholischer Theologe und Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Pfarrer Bernd Tiggemann, Leiter der Stabsstelle Kommunikation, Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Heike Meyer, Leiterin Marketing, Kommunikation und Pressestelle im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn und Bernhard Fischer-Appelt, Gründer und Vorstand der Agenturgruppe fischerAppelt. Das lebhafte Gespräch offenbarte nebenbei auch die persönliche Betroffenheit der PR-Verantwortlichen.
Eine ambivalente und problematische Gemengelage
Matthias Kopp sprach mit Blick auf die Kirchenaustritte von einem „ernsten Problem“. Die Kirche sei zwar gefragt für die moralische Einschätzung in Zeiten des Krieges und der Pandemie, der Papst mache ihm als das „mediale Zugpferd“ aber Sorgen. Pfarrer Bernd Tiggemann beschrieb die aktuelle Situation als „Tipping Point“. Der Glaube würde einer nüchternen Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen. Pfarrer, die sich stark dafür einsetzten, die Relevanz des Glaubens deutlich zu machen, bekämen trotzdem jeden Tag neue Namen genannt, von Menschen, die aus der Kirche austreten.
Heike Meyer stellte grundsätzlich fest, dass Menschen sich nicht mehr automatisch als Mitglied der Kirche verstehen. Sie frage sich sogar, ob wir einen epochalen gesellschaftlichen Wandel erlebten, der über die Kirche hinausgehe. Meyer betonte: „Wir haben es mit Sinnsuchenden zu tun.“ Gleichzeitig verwies Heike Meyer auf das Alleinstellungsmerkmal der Kirche. Die Kirche leistete seit Jahrhunderten etwas Einzigartiges für die Gesellschaft, das bisher keine andere Institution erfülle.
Strukturelle Hemmnisse erschweren die Kommunikation
Als großes Problem der Kommunikation von Kirchen wurde herausgestellt, nicht mit einer Stimme sprechen zu können. Matthias Kopp, der vom Netzwerk Recherche e.V. mit der „Geschlossenen Auster“ ausgezeichnet wurde, einem Preis, der an Informationsverweigerer aus Politik und Wirtschaft vergeben wird, umschrieb sein Dilemma so: „27 Diözesen, also 27 autonome CEOs, die erst einmal für sich kommunizieren, das muss ich akzeptieren.“ Auch auf Neuigkeiten aus Rom könne er sich schlicht nicht vorbereiten.
Aus dem Zuhörerkreis kam die Anmerkung, die Kirche solle sich auf den „USP“ von Jesus Christus zurückbesinnen. Heike Meyer antwortete, dass es genau darum gehe und nicht etwa darum, eine Struktur zu verteidigen. Sie sagte: „Wir werden die großen Volkskirchen so nicht mehr haben.“ Pfarrer Bernd Tiggemann betonte: „Wir sind lernfähig.“ Dazu gehörten eine schonungslose Transparenzkommunikation und eine Teilhabe auf Augenhöhe.
Bernhard Fischer-Appelt, selbst engagierter Christ und gelegentlich als PR-Berater für kirchliche Organisationen unterwegs, sah Hoffnung darin, die Strukturen der Kirche zu vereinfachen, Organisatorisches zu verbessern und bestimmte Themen zu überwinden. Das Schreckgespenst vom Untergang der Kirchen sollte genutzt werden, um Schwächen abzustellen und sich auf die Zukunft der Kirchen zu konzentrieren.
Die Kirche als Marke begreifen
Auch der „Markenkern“ der Kirchen wurde kritisch diskutiert. Matthias Kopp sagte: „Ein hoher Prozentsatz der Deutschen glaubt an Gott. Den Wesenskern Glauben dürfen wir nicht vernachlässigen.“ Pfarrer Bernd Tiggemann sah es als notwendig an, erst einmal vor der eigenen Haustüre zu kehren: „Wenn Spiritualität ein Markenkern ist, dann geht es darum, selbst erst einmal spirituell zu leben. Denn, wenn Spiritualität auf eigener Führungsebene keine Rolle spielt, wie soll man es dann kommunizieren?“
Heike Meyer sagte selbstkritisch: „Wir sind in der Vergangenheit nicht gut gewesen, den Markenkern herauszubringen.“ Viele Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Einrichtungen mit christlichem und pastoralem Handeln würden gar nicht unter der Marke Kirche wahrgenommen. Bernhard Fischer-Appelt gab zu bedenken, dass Marken für Symbole stehen, und da sei die Kirche nicht Coca Cola. „Die Kirche hat zwar das Kreuz, aber kein Logo – es geht um das symbolische Moment.“
Kirchliche Narrative wiederentdecken
Der Unterschied zwischen lokaler Kirche und Amtskirche wurde von den PR-Fachleuten als Chance gesehen. „Ohne die Lebendigkeit der Basis werden wir nicht überleben“, sagte Matthias Kopp. Pfarrer Bernd Tiggemann betonte, die Kirche müsse zeigen, was sie zur Zivilgesellschaft beitragen kann. Als Herausforderung wurden von den PR-Verantwortlichen auch die Nachwuchsprobleme bei den Amtsträgern genannt. Heike Meyer war überzeugt, dass die Ehrenämter in der Kirche gefördert werden müssten: „Die Dynamiken, die im Kleinen entstehen, sind oft auch Chancen.“
Bernhard Fischer-Appelt betonte, dass es bei der Lösung der Probleme nicht nur darum gehe, Worte zu finden, sondern auch Narrative der Kirche und Bibel zu nutzen wie klein vs. groß oder schwach vs. stark. „Das was unsere Kultur ausmacht, kommt aus der Kirche, das müssen wir besetzen, kennen und leben.“
Mit Blick auf die Zukunft der Kirchen sagte Heike Meyer: „Die Entwicklung fordert Demut und Umdenken, aber es macht mir Hoffnung, dass wir vielleicht kleiner, aber besser werden.“ Matthias Kopp schöpft seine Hoffnung auch aus seinem Team: „Das macht gute Arbeit und wir arbeiten mit Bischöfen zusammen, die verstehen, dass sich die Kirche bewegen muss.“ Aber, räumte Kopp ein: „Schlechte Nachrichten werfen uns zurück und machen wertvolle Kommunikationsarbeit zunichte.“ Was also können die PR-Profis und Markenbotschafter der Kirchen tun, um einen kommunikativen Weg aus der Krise zu finden? Sie müssen trotz Rückschlägen beharrlich weitermachen – keine leichte Aufgabe.
Autorin: Elke Hildebrandt, Mitglied im Vorstand der DPRG Landesgruppe Nord