PR-Tag 2022: Ausgewählte Themen in der App
Die App DPRG.mobil öffnete sich beim Deutschen PR-Tag für alle Gäste als "Second Screen" und mobiles Programmheft. Studierende der Hochschule Hannover posteten dort als Online-Reporter*innen ihre Eindrücke aus vielen Sessions, Keynotes und Debatten.
Die erste Keynote des #prtag kommt von Düzen Tekkal von HAWAR help e.V. In einem emotionalen und mitreißenden Plädoyer für eine neue Gesprächskultur betont sie die Wichtigkeit des Geschichtenerzählens in Krisenzeiten. „Die Zeit der Nicht-Haltung ist vorbei.“ Zu viele Menschen trauen sich nicht, sich zu positionieren. Mit vielen persönlichen Anekdoten aus ihrem Leben macht Tekkal deutlich, dass es nötig ist, mutig in den Konflikt zu gehen und Widerspruch aktiv zu suchen. Sich das Recht nehmen, sich einzumischen, basierend auf dem eigenen Wertefundament, sei das, was Desinformation entgegenwirkt und Identität schafft. Denn „Krisen gibt es immer“. Was für eine wunderbare, nachdenklich machende Rede!
Wie können sich CEOs und Politiker in den sozialen Netzwerken präsentieren? Diese Frage haben Carline Mohr und Michael Manske soeben diskutiert. Der gemeinsame Konsens der beiden Redner*innen? Mit Transparenz, Glaubwürdigkeit und Persönlichkeit. Wie genau dies umgesetzt wird, ist dabei jedoch zielgruppen- und medienspezifisch festzulegen. Denn wenn sich in den letzten Jahren eines herauskristallisiert hat, dann die Erkenntnis, dass es in den sozialen Netzwerken nicht den einen richtigen Weg gibt. Welche unterschiedlichen Formate beim VW-Konzern (Manske) und der SPD (Mohr) für Reichweite und positive Resonanzen sorgten, zeigt nur beispielhaft, wie divers die Möglichkeiten für eine erfolgreiche Kommunikation sind. Doch trotz vieler Chancen durch die „Zitatemaschine Social Media“ ist nach Carline Mohr nicht zu vergessen, „dass eine einzelne Kachel wohl nichts ändern wird“. Vielmehr sind die sozialen Netzwerke als ein relevantes Teil eines viel größeren Gesamtkonstruktes zu begreifen.
Sorry, we‘ve been hacked. „In einer Krise werden Erwartungen enttäuscht. Unsere Aufgabe ist es, diese Erwartungen zu managen.“ Torsten Rössing führt uns in seinem Vortrag durch den Ablauf eines Ransomware-Angriffes. Über die Ransom-Note, einem kurzem Erpresser-Brief mit praktischem Link zum Bezahlen bis hin zu den Verhandlungen, die auch Trinkgeld beinhalten können, wird alles beleuchtet. Was hilft im Fall des Cyberangriffs? Geschwindigkeit, ein Krisenstab mit Darkweb-Experten, und die Anzeige bei der Polizei darf auch nicht fehlen. Und während die Hacker ihre Reputation mit dem Angriff optimieren, müssen Kommunikatoren dafür Sorge tragen, dass ihr Unternehmen seinen Ruf nicht verliert.
Wie funktioniert erfolgreiche Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten zur Energiewende? Diese Frage diskutierten Martin Groll von TenneT TSO und Anja Schlicht von der Agentur navos. Ein sehr interaktiver Austausch mit dem Publikum hat gezeigt: Bürgerbeteiligung ist kein Marketing-Konzept, sondern elementarer Bestandteil von Infrastrukturprojekten. „Kein Fortschritt im Projekt ohne Kommunikation“, fasst Martin Groll zusammen. Dafür werden Stakeholder besonders früh in Infrastrukturprojekte einbezogen: In einem innovativen Tool gestalten sie die Trassenplanung direkt mit und können Einwände und Änderungen vorschlagen. Das Ziel dabei ist nicht, Akzeptanz zu erzwingen, sondern wertschätzenden Dialog miteinander zu führen – das macht den Erfolg von guter Bürgerbeteiligung aus.
Diversity und Inclusion: In einem sehr anschaulichen Kommunikationsimpuls von Prof. Dr. Annika Schach geht es um ein viel diskutiertes Thema. Unternehmen seien heutzutage besonders aufgrund des Fachkräftemangels zunehmend gezwungen, sich mit DE&I zu beschäftigen. Nach dem Motto „Diversity is a fact, inclusion is a choice“ ist es für Unternehmen geboten, die extern vermittelte Diversität auch intern zu leben und aktiv umzusetzen. Mit wissenschaftlich fundierten und aufschlussreichen Grafiken, Studien und Diagrammen stellt Schach dar, welche Dimensionen Unternehmen in ihrer täglichen Kommunikation beachten müssen. Wichtig sei es vor allem, intern eine Kultur zu schaffen, die offen ist für jegliche Art der Diversität. Auch der European Accessibility Act wird im Sinne der Language Awareness in Zukunft Thema für Unternehmen werden.
Haltung beziehen – ein sensibles Thema, welches Jürgen Kornmann von der Deutschen Bahn und Claus Strunz von BILD TV im Auditorium diskutierten. Doch wann sollte sich eine Organisation zu aktuellen Ereignissen äußern? In der Hinsicht sind sich die beiden Referenten einig: Vor allem bei eigener Betroffenheit und entstehenden Wertekonflikten sollte eine schnelle Reaktion seitens der Organisation erfolgen. Um diese Stellungnahme glaubwürdig und ehrlich zu untermauern, empfiehlt Jürgen Kornmann zudem, nicht nur zu kommunizieren, sondern auch zu handeln. Dafür gibt er den Hinweis: „Haltung muss auch mal weh tun.“
Was können Unternehmen von Start-Ups lernen? Spannender Kommunikationsimpuls zum Thema. Die Vorurteile gegenüber Start-Ups sind zahlreich: schnell, flexibel, kurz gedacht. Laut Rednerin Dr. Lydia Prexl ist aber genau das der Vorteil gegenüber etablierteren Unternehmen. Frei nach dem Spruch „sometimes you win, sometimes you learn“ erläutert sie, wie Start-Ups ambitionierte Ziele auf unkonventionelle Art und auf neuen Wegen erreichen können.
Bei kleinem Budget hilft besonders eins: Humor. Und das war auch das Motto des Vortrags von Marc Raschke vom Klinikum Dortmund. Anhand amüsanter Videos seiner Kolleg*innen zeigt Raschke, dass multimedialer Content simpel produziert werden kann. Das Rezept dafür: engagierte Personen, eine Kamera und der richtige Kanal. Das Ergebnis liegt auf der Hand, neben einem Brust-OP-Kuchen entstanden viele authentische und nahbare Inhalte. Zum Einstieg empfiehlt Raschke, dass man sich die Rampensäue unter den Kolleg*innen sucht. Neue Gesichter finden sich von da aus schnell. Und noch bevor man sich versieht werden die eigenen Ärzt*innen nach Autogrammen gefragt.
How to start new – Alexander Wilke, Caroline Thiedig und Jakob Barzel stellen in einem sympathischen Beitrag ihre Kommunikationsberatung goodthoughts vor. Die erste Erkenntnis: Die Welt braucht keine Berater*innen. Jedenfalls keine klassischen mehr, denen es schwerfällt, einen Link zwischen Strategie, Selbstverständnis und komplexen unternehmerischen Prozessen herzustellen. Weitere Feststellung: Haltung hat Konsequenzen – mit Spannungsverhältnissen transparent umzugehen und sich nicht hinter moralischen Argumentationen zu verstecken. Weitere Key Take Aways sind: Ohne Geduld und Gelassenheit gehst du unter. Der Wert des selbstbestimmten Arbeitens. Unternehmen brauchen Orte, aber physische? Das Fazit am Schluss einer lebhaften Fragerunde: goodthoughts – dessen einjähriger Geburtstag heute ist – ist glücklich und zufrieden!
Wie kommuniziere ich mit meinen Stakeholdern in einer hoch regulieren Branche wie der Pharmabranche? Über diese komplexe Frage sprechen Sebastian Vesper (Oberauer) und Susanne Straetmans von Pfizer. Spätestens seit der Coronapandemie ist Pfizer ein weltweit in Erscheinung tretendes Unternehmen. Das Interview geht allerdings weit über Covid-Vakzine hinaus: Thema ist vor allem die Content- und Debattenplattform landdergesundheit.de, auf der Pfizer die Stakeholder-Kommunikation betreibt und auf Impulse reagiert. Die Notwendigkeit, Netzwerke zu bauen, hätte sich besonders in den letzten Jahren gezeigt.
Der Weg zum konzentrierten Arbeiten: Der Mensch braucht acht Minuten bis zur vollen Konzentrationsfähigkeit – doch alle vier Minuten kommen äußere Störeinflüsse, die den Denkfortschritt zunichtemachen. Ein Grund dafür sind die vielen Informationen in den digitalen Medien, die hohe Dynamik und die Vielfalt der Themen, die die Denkarbeit von Mitarbeitenden zunehmend erschweren. Tchoko Souga erklärt, wie „The Focused Company“ den Organisationsalltag verändern und zu besseren Resultaten führen kann. Inspirierend, wie Klenk & Hoursch mit zwei Stunden „offline“ (keine Anrufe, Mails und Meetings) und einer minimalen Anzahl an Meetings den Arbeitsalltag revolutioniert hat.
Eine Frage der Haltung? Politische Positionierung deutscher CEOs und Unternehmen im digitalen Raum. Robert Ardelt von APCO Worldwide gibt Impulse, wie man richtig Haltung beziehen kann. Und auch, wie man es lieber nicht tut. Key-Ziffer: 60 Prozent der Deutschen sehen es kritisch, wenn Unternehmen politisch Haltung zeigen. Aber gleichzeitig fordert die jüngere Generation eher Haltung ein. Ist Haltung schon ein Automatismus? Oder ein Signal der Geschlossenheit? Mithilfe verschiedener Cases wurden zwei Thesen aufgestellt: 1. Dilemma-Management: Organisationen befinden sich im permanenten Krisenmodus. 2. Mit der Rückbesinnung auf die eigenen Werte kann dieses Dilemma-Management vereinfacht werden. Der Tipp: Unternehmen sollten weg von einer Haltungskommunikation zu mehr Leitbild-Kommunikation. „Werte-Kommunikation muss ernst genommen werden“, verrät Robert Ardelt. Das Fazit zum Abschluss: Kommunikation muss nicht nur sprechen, sondern mittlerweile viel mehr und besser zuhören.
Abgerundet wurde der erste Tag mit einem Blick nach innen: Thema Employee Bonding. Aufgrund der aktuellen Pandemie und des Kriegsgeschehens sagen Thomas Voigt und Andrea Montua radikale Veränderungen für die Kommunikation voraus. In sieben gewagten Thesen beschreiben sie, wie die Zukunft zwischen lustvollem Kontrollverlust und kommunikativer Orientierung aussehen könnte. Sie beschreiben die neuen Rollen, die für Kommunikator*innen damit einhergehen. Und den Mut, den diese erfordern werden. Dort knüpfte die Diskussion an die Keynote vom Morgen an, Kommunikator*innen müssen sich trauen, Haltung zu bewahren, zu ihren Werten zu stehen und aktiv Teil der Veränderung zu sein!
Ein toller Start in den zweiten Tag! Mit dem Zitat „Unternehmenskommunikation ist politisch und wird noch politischer werden“ startet Matthias Berninger in seinen Vortrag über Dialog und Haltung in der politischen Kommunikation. Den Grund dafür sieht er in zahlreichen Entwicklungen: der globalen Machtverschiebung, der Klimaveränderung und der Biorevolution. Durch diese Neuordnung werde Unternehmen eine zunehmende Verantwortung in politischen Themen zugesprochen. Dieser sollten Unternehmen auch nachkommen – und das jetzt.
Klimawandel der Kommunikation: Hintergründe und Denkansätze, warum Unternehmen eine neue Kommunikationspolitik brauchen, gab Jan Sass von der Unternehmensberatung Lautenbach Sass. Ein gefüllter Seminarraum und lebhafte Diskussionen bestimmten das Bild dieses Impulsvortrages. Nach Jan Sass seien unter anderem folgende Punkte für den Wandel der Kommunikationswelt entscheidend: Drastischer Vertrauensverlust – mehr als die Hälfte der Deutschen glaubt laut des Edelman Trust Barometers nicht mehr an die Meinungsfreiheit. Worte werden immer mehr als Waffe verstanden. Die Absicht, Minderheiten zu inkludieren, führe zu sozialer Hypersensbilität, cancel culture und safe spaces greifen den öffentlichen Diskurs an. Außerdem gehe es Identitätspolitik: Nicht jeder dürfe sprechen; wahr sei nur noch, was persönlich erlebt wurde. Diese Auffassung schränkt jedoch den Dialog ein, wenn vermeintlich nicht relevante Stimmen aus dem Diskurs ausgeschlossen werden. Das Fazit: „Unternehmen müssen Ihre Rolle als zentrale Akteure der Veränderung annehmen und dies in ihrer Kommunikation widerspiegeln“ – dafür müssen sie überzeugende und bildhafte Narrative schaffen.
Culture at heart: Raus aus dem Silo-Denken und hin zu einer holistischen Consumer Journey. Janina Jahns (Diageo) spricht sich für den Wechsel von Kommunikation zur aktiven Partizipation aus. Die Cultural Insights liefern Unternehmen dafür die passenden Informationen und vervollständigen so die Personas. Diese Kenntnis der Kund*innen macht die Emotionalisierung möglich. Und auch einen weiteren Tip gibt Jahns den Zuhörer*innen ausdrücklich mit: Die eigenen Resultate und Leistungen müssen auch intern verständlich kommuniziert und wirksam vermarktet werden.
„Wir leben im Zeitalter der Desinformation, der organisierten Täuschung“: So beginnt Viola von Cramon, Mitglied des Europäischen Parlaments, ihre spannende Keynote zum Thema Einflussnahme & Desinformationen aus dem Ausland und den Lehren aus der russischen Invasion in die Ukraine. Der größte Trick der Desinformation bestehe nicht darin, Lügen zu verbreiten. Vielmehr geht es um die hohe Frequenz an Informationen, mit denen Bürgerinnen und Bürger bombardiert werden. Das Ziel: Die Angesprochenen überfordern und sie dazu zu bringen, das Vertrauen einer Kontrolle in die Hände der Regierung zu legen. So hat Russland bereits seit Jahren den Angriff auf die Ukraine kommunikativ strategisch vorbereitet.
Virtuelle Pressekonferenz – Notlösung oder etabliertes Format? Vincent Charles von Continental beantwortet die Frage definitiv: etabliertes Format! Kurz zusammengefasst die sieben wichtigsten Tipps: 1. Keine Mediashow veranstalten! Lieber inhaltlich klassisch bleiben und multimedial nicht alle Möglichkeiten gleichzeitig ausschöpfen wollen. 2. Gleich und gleich gesellt sich gern. Rein virtuelle Formate ermöglichen eine Gleichberechtigung, die bei Hybridformaten nicht immer umsetzbar sind. 3. Transparenz schafft Nähe trotz Distanz: Im Chat gestellte Fragen sollten für alle Teilnehmer transparent sichtbar sein, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass die unliebsamen Fragen aussortiert würden. 4. Nichts geht über Dialog. Eine Telefon- und Videomöglichkeit für Journalisten, um während der virtuellen PK Fragen live zu stellen. Praxistipp: Fragesortierung-Tool programmieren und nach persönlicher Erfahrung von Vincent Charles: kurz vor der Live-Sendung keine Cola über die Hardware schütten! 5. Nicht auf Exklusivität verzichten. Nach der PK werden kurze Telefoninterviews mit ausgewählten Medien angeboten. 6. Übung macht den Meister. Sowohl bei der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern als auch beim professionellen Ablesen eines Teleprompters. 7. In der Krise steckt die Chance! Das Fazit der Session: Soll jetzt alles nur noch digital stattfinden? Nein! Physische Kontakte zu Medienvertretern sind weiterhin wichtig, vor allem in der Krisenkommunikation.
Was denn noch alles? Diese Frage im Hinblick auf Erwartungen an Kommunikationsverantwortliche für die nächsten Karriereschritte stellten sich Caren Altpeter, Thomas Lüdeke und Renate Sommer im abschließenden Panel des Deutschen PR-Tages. Direkt einig waren sich die drei bei der Frage, ob in Zukunft eher Spezialisten oder Generalisten gesucht werden: nämlich beides! Der Tipp von Renate Sommer: Ein Standbein und ein Spielbein zu haben – eine feste Kompetenz und gleichzeitig eine Möglichkeit des Ausprobierens. Das gilt auch und vor allem, für erfahrende PR-Profis! Was ist sonst noch wichtig? Anpassungsfähigkeit, Gestaltungsdrang und Eigeninitiative sind hier die üblichen Buzzwords. Doch das wichtigste ist weiterhin das Netzwerk: „Ich brauche nicht Leute, die alles können, sondern ein Team, was alles kann bzw. das Leute kennt, die das können“, so Caren Altpeter. Moderator Sebastian Vesper fasst zusammen: „Die Komplexität des Kommunikationsberufs ist Fluch und Segen zugleich“.