Was sind die wichtigsten Learnings zur Kommunikation und zur Bürgerbeteiligung beim Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur? Erfahren Sie hier mehr.
Es war ein historisches Datum: Genau 20 Jahre nach Einführung des 3G-Standards in Deutschland diskutierten der Arbeitskreis Akzeptanzkommunikation und DPRG-Mitglieder mit den Expertinnen Dr. Margarete Steinhart, Projektleiterin bei der Online-Plattform Informationszentrum Mobilfunk und Inhaberin der Agentur Lichtblick, sowie Cornelia Szyszkowitz, zuständig für Risikokommunikation und Nachhaltigkeit bei der Deutschen Telekom Technik, über "Akzeptanz für 5G – Chancen und Grenzen von Kommunikation". Und genau in dieser Nacht des 30. Juni 2021 schalteten Deutsche Telekom und Vodafone Deutschland UMTS, wie der 3G-Standard genannt wurde, wieder ab.
Konflikte um neue Anlagen gibt es eher im ländlichen Raum
Etwa alle zehn Jahre kommt ein neuer Mobilfunkstandard auf den Markt – immer begleitet von Protesten gegen die Errichtung neuer Mobilfunkmasten, Gerüchten über schädigende Strahlung und Märchen von Kühen mit zwei Köpfen. Die Erkenntnis der Expertinnen mit 20 Jahren Mobilfunkerfahrung: Mit Verschwörungstheoretikern lohnt sich keine Diskussion, junge Menschen stehen neuen Technologien offener gegenüber als ihre Eltern, die oft von Angst, Unsicherheit und Unwissenheit getrieben sind. Zudem entstehen Konflikte um neue Anlagen eher im ländlichen als im urbanen Raum. Städter hätten sich an die Masten gewöhnt und in der Stadt fallen die hässlichen Bauwerke, wie Cornelia Szyszkowitz zugab, nicht so auf. Grundsätzlich wären die Gegner und Kritiker deutlich in der Minderheit.
In ihren Impulsvorträgen beschrieben die Expertinnen ihren Kommunikationsansatz: wissenschaftlich fundierte Fakten und die Versachlichung von emotional aufgeheizten Debatten. Eine Beteiligung sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Bürger auch etwas beeinflussen könnten. Im Fokus ihrer Maßnahmen stehen vor allem Lokalmedien, die Kommunalpolitik und die regionale Verwaltung.
Oft sucht man sich hierfür geeignete Kooperationspartner und initiiert Informationsformate für Bürgermeister, Mitarbeiter in Planungsbehörden und Verwaltungen sowie politische Multiplikatoren. Ergänzend liefert die Website des Informationszentrums Mobilfunk valide Fakten. Grafiken sowie als Info-Baukasten konzipierte Handouts vermitteln alle relevanten und wissenschaftlich fundierten Informationen rund um das Thema Mobilfunk.
Fake News und Verschwörungstheoretiker
Eine Entwicklung insbesondere in den letzten Jahren ist die zunehmende öffentliche Debatte mit wenigen, aber kommunikationsstarken Verschwörungstheoretikern und deren Kanälen. Diese verbreiten häufig Fake News und sind für Argumente in der Regel nicht zugänglich – was der wissenschaftsbasierten Kommunikation durch des Informationszentrums Mobilfunk noch stärker als bisher Bedeutung verleiht.
Learnings
Beide Kommunikationsexpertinnen haben in den letzten 20 Jahren eine Fülle an neuen Erkenntnissen gewonnen. Wichtig sei hierbei, in erster Linie auf Information und dann auf Dialog zu setzen. Im Vordergrund der Kommunikationsaktivitäten mit den Menschen vor Ort steht deswegen die Bürgerinformation. Bei der öffentlichen Meinungsbildung sind Multiplikatoren und Kooperationen wichtige Schlüsselelemente. Gegenüber Verschwörungstheoretikern, "Reichsbürgern" sowie "Fake News" helfen nur klare Abgrenzungen sowie eindeutige Richtigstellung von Falschmeldungen mit Faktenchecks. Hass-Mails werden nicht beantwortet – gleichzeitig ist es zielführender jene zu unterstützen, die am Netzaufbau interessiert sind.
Diskussion
In der anschließenden Diskussion mit allen TeilnehmerInnen ging es um die Frage, wieso diese Konflikte eher im ländlichen Raum entstehen. Hier wird vermutet, dass es eine Mischung aus Besitzstandswahrung, Fragen der Landschaftsoptik und manchmal auch Neid ist. Zudem beobachten die Netzausbauer vor Ort widerstrebende Interessen: Kommunen, ihre Wirtschaftsförderungen und lokal ansässige Firmen unterstützen den Ausbau, weil sie auf schnelle Internetverbindungen angewiesen sind; sie treffen aber zum Teil auf Menschen, die vor allem wegen der Ruhe und der Unberührtheit der Natur auf dem Land leben. Die Grenze der Kommunikation beim Mobilfunkausbau ist nach Meinung der Expertinnen die Bürgerbeteiligung: Diese bringt oft weniger als eine transparente und fundierte Information der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen, die oft zielführender ist.
Informationen vs. Emotionen
Einen weiteren intensiven Austausch gab es zu der Frage, ob und inwieweit sich Ängste und Unsicherheitsgefühle singulär mit wissenschaftlichen Fakten und sachlicher Informierung auflösen lassen. Hier gab es unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Digitalforums keine eineindeutige Antwort und Meinung.
Experten und Expertinnen gesucht!
Deswegen hat sich der Arbeitskreis entschlossen, diesen Fragen in einer der nächsten Sitzungen nachzugehen. Gesucht wird also ein/e psychologisch bewanderte/r Kommunikationsexpertin/-experte bzw. ein/e kommunikativ bewanderte/r Psychologin/Psychologe, die/der hierzu einen Impulsvortrag geben könnte. Tipps und Empfehlungen bitte gern senden an
akzeptanzkommunikation@dprg.de
Info-Baukasten Dialog und Kommunikation:
https://www.informationszentrum-mobilfunk.de/mediathek/broschueren/infobaukasten-mobilfunk-1-4-dialog-und-kommunikation
Autor: Ulf Mehner, Dresden