Wie kann Kommunikation dazu beitragen, die Krise nicht nur zu meistern, sondern zu lösen? Diese und weitere Fragen diskutierte eine Expertenrunde.
Die DPRG Landesgruppe Nord lud am 9. Juni zu einer virtuellen Expertenrunde ein, die an diesem sommerlichen Abend ein spannendes Thema diskutierte: Gesucht wurden die kommunikativen Lehren aus der Corona-Pandemie. Drei Referenten nahmen unter die Lupe, was wir im privaten und beruflichen Umfeld seitens Medien, Politik, Unternehmen und zahlreichen Experten an Kommunikation erlebt hatten. Wer hat seinen Job gut gemacht? Was lief schief? Wird die interne und externe Kommunikation für die nächste Pandemie besser gerüstet sein?
Die Landesgruppenleiterin Andrea Montua führte durch den spannenden Diskurs. Rede und Antwort stand ein Trio, das mit seinen Meinungen nicht hinter dem Berg hielt. Mit dabei waren Nicola Wessinghage, Mit-Gründerin und Mit-Gesellschafterin der Agentur „Mann beißt Hund“, Kommunikationsfachfrau und spezialisiert auf die Bereiche Wissenschaft und Bildung, weiterhin Manfred Wagner, Medizinischer Direktor des Klinikums Fürth, erfahrener Oberarzt, Notfall- und Intensivmediziner, und Stefan Schwark, Referent beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe und dort Experte für die öffentliche Kommunikation.
Kommunikation von Anfang an mitdenken
Was also ist die größte Lehre aus der Pandemie? Diese zentrale Frage stellte Andrea Montua gleich zu Anfang. Man müsse jede Art von Kommunikation von Anfang an mitdenken - über diesen Erfolgsfaktor war sich das Experten-Trio einig. Ein starkes Statement, das den gesamten Abend begleiten sollte.
- Der Fokus müsse auf belastbaren Fakten und Inhalten liegen, forderte beispielsweise Stefan Schwark nicht nur für den Pflegesektor. Allein durch Fake News, etwa dass beruflich Pflegende sich nicht hätten impfen lassen wollen, könne schnell eine ganze Branche zu Unrecht an den Pranger gestellt werden.
- Kommunikation wurde und werde permanent unterschätzt, stellte Agenturchefin Nicola Wessinghage eindrücklich fest. Die Wichtigkeit für die Öffentlichkeit sei in der Pandemie nicht gesehen worden. FAQs als Basis der Kommunikation wären teilweise vergessen oder bewusst weggelassen worden.
- Klinikexperte Manfred Wagner betonte, dass Kommunikation ein wichtiger Mitgestalter der wahrgenommenen Wirklichkeit sei. Um auf sich verändernde Sachlagen und Entscheidungen reagieren zu können, sei eine schnelle, zeitnahe und unmittelbare Kommunikation besonders wichtig. Ein wichtiges Learning des Oberarztes: Die klassische kaskadenartige Kommunikation habe in der Pandemie ausgedient. Man müsse die Kommunikationskanäle komplett neu denken.
Videos als offizielle Pressemitteilung
Als Beispiel für offene, flexible, kreative und authentische Kommunikation nannte der Direktor des Klinikums Fürth einen in drei Tagen initiierten Corona-Podcast, der in seinem Haus jeden, von der Reinigungskraft bis zum Oberarzt, erreicht habe und der neben den internen Zielgruppen auch für externe Hörer freigeschaltet worden sei. Die Informationen würden sowieso nach außen dringen, also könne man gleich breiter denken, war seine Meinung.
Interessante Beobachtung dazu: Die Abrufzahlen des Podcast liefen parallel zu den Infektionszahlen. Auch habe die Audiokommunikation so manche klassische Presseinformation ersetzen können und habe den Medien so als verlässliche Informationsquelle gedient. Klinikchef Wagner bemerkte im Verlauf der Pandemie, dass er als Mediziner mutiger und angriffslustiger geworden sei in seiner Kommunikation. So seien auch Videos als offizielle Pressemitteilung genutzt worden, obwohl sie ursprünglich nicht als solche gedacht gewesen seien. In eigenen Videos hätte man den Rahmen und die Tiefe der relevanten Botschaften selbst setzen können, anstatt in öffentlichen Medien gekürzt zu werden.
Blinder Aktionismus schadet
Mit vielen starken Statements wurden die weiteren Fragen diskutiert, wie nach dem Umgang mit den Ängsten in der Öffentlichkeit, nach dem Image der Pflegeberufe und auch, ob und wie sich die Wahrnehmung der verschiedenen beteiligten Gruppen geändert habe und welche Empfehlungen das Trio an Politik, Medien, Unternehmen und Experten adressieren würde. Beispielsweise seien Kardinalfehler wie „externe vor interner Kommunikation“ gemacht worden.
Schädlich bewertete Oberarzt Wagner zudem fehlende Selbstreflexion und blinden Aktionismus. In der Krise sei ein seriöser Blick nach vorne, ohne Schönfärberei gefordert. Wessinghage sah aus der Agenturperspektive die größte Herausforderung im Kampf gegen Unvernunft und darin, dass auch Menschen erreicht werden müssten, die das Vertrauen in die Instanzen verloren hätten. Dafür bräuchte es passende und nachvollziehbare Formate. Man müsse sich konsequent fragen, wo geht es einfacher und niederschwelliger.
Schnelligkeit schlägt Richtigkeit
Schließlich erinnerte Wagner als Klinik-Pragmatiker eindrücklich an die Kommunikationstugend in der Krise: Schnelligkeit schlägt Richtigkeit. Aber seiner Meinung nach müsse man generell nicht nur fragen, was Kommunikation in der Krise leisten, sondern wie diese die Krise lösen kann. Es dürfe keine Angst vor Fehlern geben, sie seien die Essenz, um noch bessere Entscheidungen zu treffen. In künftigen pandemischen Krisen könnte daher die zentrale Frage lauten: Wie kann offene Kommunikation den Entscheidungsmut und die Entscheidungsgeschwindigkeit erhöhen?
Rund zwanzig Teilnehmer folgten gespannt der 80minütigen Diskussion und wurden einmal mehr darin bestätigt, wie wichtig unser Berufsstand ist. Um Krisen besser bewältigen zu können, so ein mögliches Fazit des Abends, ist wohl von allen Beteiligten in der Kommunikation mehr Offenheit, Flexibilität und Professionalität gefragt. Ein Gedanke, der bei vielen Teilnehmern des Abends nachgeklungen haben dürfte.
Text: Elke Hildebrandt