Frühzeitig, kontinuierlich und transparent kommunizieren
Arbeitskreis beschäftigte sich mit Richtlinie zur Akzeptanzkommunikation und diskutierte über die kommunikative Begleitung von Schienenverkehrsprojekten.
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) kontrolliert als Organ der Selbstkontrolle der Kommunikationsbranche nicht nur die Einhaltung der geltenden Kodizes, sondern veröffentlicht auch selbst Richtlinien zu verschiedenen Aspekten von Kommunikation. Was bisher noch fehlte, waren
Richtlinien für das stetig wachsende Feld der Akzeptanzkommunikation.
Sie waren deshalb Thema bei der virtuellen Sitzung des AK Akzeptanzkommunikation am 20. April, die von Minou Tikrani, Geschäftsführerin der Konstruktiv PR-Beratungsgesellschaft, souverän moderiert wurde. Nach der Begrüßung durch Sybille Höhne, Beisitzerin des DRPG-Bundesvorstands und Co-Leiterin des Arbeitskreises, informierten Felix Krebber, Professor für Unternehmenskommunikation an der Hochschule Pforzheim, und Thomas Zimmerling, Vorsitzender des Beschwerdeausschusses Politik im DRPR, rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Erarbeitung der geplanten Richtlinie.
Im zweiten Teil der Veranstaltung berichtete Kevin Zdiara, Referent Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerdialog bei der HEAG mobilo von der kommunikativen Begleitung eines erfolgreich durchgeführten Stadtbahnprojektes in Darmstadt, während Thomas Zimmerling als Kontrast zu einem letztlich erfolglosen Stadtbahnprojekt aus Wiesbaden referierte.
Richtlinie zur Akzeptanzkommunikation: Regelungsbedarf aus PR-ethischer Sicht
Ausgangspunkt für die Erarbeitung der Richtlinie sei gewesen, dass bei Beteiligungsverfahren wiederholt bestimmte Mängel festgestellt worden seien, beispielsweise was die Wahrhaftigkeit der Kommunikation angehe, leitete Felix Krebber sein Referat ein: „Es gibt Regelungsbedarf aus PR-ethischer Sicht.“ Zusammen mit Studierenden der Hochschule Pforzheim nahm er deshalb zunächst eine Inhaltsanalyse existierender Beteiligungsleitlinien – zum Beispiel von Kommunen, Verbänden oder Organisationen – sowie der bekannten PR-Kodizes vor. Auf dieser Grundlage wurden Regelungslücken und -bedarf identifiziert.
Dazu zählen beispielsweise die Verbindlichkeit von Zusagen oder die Repräsentativität der Beteiligten ebenso wie die Forderung, dass Einflüsse transparent gemacht werden. „Die Richtlinie soll im September im DRPR diskutiert werden“, erklärte Thomas Zimmerling zum weiteren Verfahren. Möglicherweise werde es auch noch ein öffentliches Hearing zur geplanten Richtlinie geben. In jedem Fall wolle man mit dem Regelungsvorschlag bald auf verschiedene Stakeholder, darunter Aus- und Weiterbildungsträger, zugehen.
Stadtbahnprojekte: Immer ein Politikum
Moderatorin Minou Tikrani begann den zweiten Teil der Veranstaltung mit einer kurzen Reflexion zu ihrer Heimatstadt Hamburg: Die Frage, ob man dort die Straßenbahn wieder einführen solle, sei regelmäßig heißes Wahlkampfthema. „Schienenprojekte sind polarisierend“, resümierte Tikrani und leitete damit zu den Referenten über, die ebenfalls von zahlreichen Kontroversen bei der Begleitung von Straßenbahnprojekten berichten konnten.
Gleich zu Beginn seines Vortrags bemerkte Kevin Zdiara, die Lichtwiesenbahn in Darmstadt sei „nicht wirklich ein Best Case“, sondern ein Projekt, aus dem man gelernt habe. Bedarf und Nutzen des Vorhabens seien gut erkennbar gewesen, denn die Strecke verbindet einen schnell wachsenden Campus der TU Darmstadt mit dem Hauptbahnhof. Nach dem politischen Beschluss zum Bau der Strecke 2013 kam trotzdem schnell Kritik auf, die sich hauptsächlich auf die Kostenfrage und Umweltaspekte fokussierte.
Agieren statt reagieren
Die HEAG mobilo als Trägerin des Projektes sei auf die Kritik nicht vorbereitet gewesen. „Wir waren leider nicht im Agieren und kamen nicht in den Dialog mit den Wortführern“, berichtete Zdiara. Die Situation sei eskaliert, aber außer einer Informationsveranstaltung und einer Website seien zunächst keine kommunikativen Maßnahmen geplant gewesen. Trotz der Gründung einer Bürger*inneninitiative gegen das Projekt wurde das Genehmigungsverfahren 2018 abgeschlossen. „Der Widerstand nahm daraufhin noch einmal an Fahrt auf“, sagte Zdiara. Höhepunkt seien Strafanzeigen gegen den hessischen Verkehrsminister und den Darmstädter Oberbürgermeister sowie ein öffentlicher Trauermarsch gegen die Fällung von Bäumen gewesen.
Trotzdem erfolgte 2019 der Spatenstich zum Projekt – seitdem ist auch Zdiara an Bord, der bei der HEAG mobilo die neugeschaffene Stelle eines Referenten Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerdialog besetzt. Eine Stelle, die gerade vor dem kritischen Hintergrund der Lichtwiesenbahn geschaffen wurde, wie Zdiara während seines Vortrags betonte. Zum Baubeginn wurde eine eigene Projektwebsite aufgesetzt und eine gutbesuchte Infomesse veranstaltet. Vor Ort richtete man zudem einen Dialogcontainer mit wöchentlicher Bürger*innensprechstunde ein – diese wird in Zeiten von Corona telefonisch weitergeführt.
Die Learnings aus dem Projekt? „Unsere Kommunikation war zu spät und zu verhalten“, fasste Zdiara zusammen, „wir hätten viel früher und ausführlicher über die positiven Seiten des Projektes reden müssen.“ Aus den Erfahrungen habe man einen neuen Ansatz für die Baukommunikation entwickelt: Es sei entscheidend, frühzeitig, kontinuierlich und transparent zu kommunizieren. Wichtig sei es vor allem auch, die Kommunikation persönlich zu gestalten: „Wir haben ein Gesicht für das Projekt geschaffen“, so Zdiara – das sei die Stelle, die er besetze. Er sei persönlich erreichbar und suche den direkten Kontakt mit den Anwohnenden. Erfreulicherweise habe sich die Wahrnehmung des Projektes seit Baubeginn auch deutlich verbessert.
Ein Scheitern mit Ansage
Die Citybahn Wiesbaden sei ein „Scheitern mit Ansage“ gewesen, berichtete Thomas Zimmerling, Geschäftsführer von Schema C Consulting, von einem gegenteilig verlaufenen Projekt in der hessischen Landeshauptstadt, in das er zwar nicht persönlich involviert war, das er als interessierter Bürger Wiesbadens jedoch intensiv verfolgte. Bei der Citybahn handle es sich schon um den dritten gescheiterten Versuch zur Wiedereinführung der Straßenbahn in Wiesbaden, machte Zimmerling gleich zu Beginn seines Vortrags die Brisanz des Vorhabens klar.
Der Nutzen des Projektes habe auch hier auf der Hand gelegen: Weniger Verkehr, eine höhere Kapazität des ÖPNV und eine bessere Anbindung des Umlandes; dazu hätte die Stadt Wiesbaden selbst nur für einen kleinen Teil der Kosten aufkommen müssen. Trotzdem sei auch die Citybahn von Beginn der Planungen an auf starken Widerstand gestoßen. Dieser habe sich vor allem auf Einschränkungen für den Autoverkehr, Eingriffe in das Stadtbild durch die Oberleitungen sowie Belastungen für Anwohner*innen in der Bauphase konzentriert.
Die meisten Organisationen und Institutionen standen dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber, so zum Beispiel Grüne, SPD und CDU, das Land Hessen und die Umlandgemeinden. Erklärtermaßen gegen das Projekt waren FDP und AfD sowie mehrere Bürger*inneninitiativen, „die unterschiedlich professionell aufgestellt waren“, so Zimmerling.
Unterstützung muss geschlossen und eindeutig sein
Dass die Citybahn bei einem Bürger*innenentscheid im November 2020 mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt wurde, machte Zimmerling vor allem am vorsichtigen Engagement der Unterstützerinnen und Unterstützer fest: „Zu Beginn kam die Kommunikation fast ausschließlich von den Gegnern“, während sich die befürwortenden Parteien aufgrund politscher Befindlichkeiten kommunikativ zurückgehalten hätten. Die Betreibergesellschaft ESWE sei mehr oder weniger „allein gelassen“ worden.
Die Kommunikation, die es gegeben habe, sei zudem nicht außerordentlich geschickt gewesen – die Veröffentlichung eines ergänzenden Mobilitätsleitbildes sei viel zu spät gekommen, ebenso wie die Einrichtung einer Ombudsperson, „aber an der Stelle weiß man dann, das Kind ist schon in den Brunnen gefallen“, so Zimmerling. Hier sei es schon nicht mehr darum gegangen, Beteiligung zu moderieren. „Und bei der Beteiligung ging es nur um das Wie, das Ob des Projektes ist nicht thematisiert worden“, bemerkte Zimmerling.
Beteiligung muss Fragen des Ob und des Wie umfassen
Hierin erkannten die Teilnehmer*innen der AG-Sitzung in der anschließenden Diskussion eine grundlegende Herausforderung bei Schienenverkehrsprojekten: Die Vorhabenträger könnten als ausführende Organe die Diskussion um das Ob gar nicht führen. Diese Fragestellung müsse viel stärker als bisher im Vorfeld und ebenfalls unter Beteiligung der unterschiedlichen Stakeholder erörtert werden.
Es sei also höchste Zeit, mit klaren Beteiligungsrichtlinien endlich Standards für die Kommunikation solcher Projekte zu schaffen, spannte Minou Tikrani den Bogen abschließend wieder zurück zum ersten Thema des Abends. Und vielleicht sei es auch einmal an der Zeit, dass sich die Befürworter*innen solcher Projekte in Bürger*inneninitiativen organisierten.
Die Vorträge der Sitzung zeigen in jedem Fall: Ohne eine frühzeitige, kontinuierliche und transparente Kommunikation haben Verkehrsinfrastrukturprojekte keine Chance, auf Akzeptanz zu stoßen.
Ulla Herlt, Berlin