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29.03.2021   MediaPolitics
Sechs DPRG-Vorschläge: Öffentliche Ausschreibungen vereinfachen
Fairness und Transparenz öffentlicher Ausschreibungen für Kommunikationsleistungen stehen oft in der Kritik. Der Arbeitskreis MediaPolitics hat sechs Reformvorschläge erarbeitet.
Am 22. März luden der DPRG-Arbeitskreis MediaPolitics und die DPRG-Landesgruppen Norddeutschland und Niedersachsen-Bremen zu einem gemeinsamen Online-Workshop. In ungezwungener Gesprächsatmosphäre ging man der Frage nach, welche Erfahrungen die rund 15 teilnehmenden Gäste und Mitglieder bei Ausschreibungen durch öffentliche Einrichtungen gemacht haben – und welche hilfreichen und zielführenden Änderungen in diesen komplexen Prozessen sie sich wünschen.
 
An der lebhaften Diskussion beteiligten sich sowohl Vertreter von Agenturseite als auch von öffentlichen Einrichtungen und brachten ihre unterschiedlichen Perspektiven ein. Das rundete das Bild insgesamt ab: ein nicht unkritisches, aber gleichermaßen interessantes wie auch emotionales Thema.
 
Der Arbeitskreis MediaPolitics ist ein Thinktank innerhalb der DPRG. Im vergangenen Jahr wurde das Thema „Fairness und Transparenz öffentlicher Ausschreibungen“ von DPRG-Mitgliedern mit der Bitte um eine Diskussion an den Arbeitskreis herangetragen.
 
Tatja Stülten begrüßte im Namen beider Landesgruppen und führte ins Thema ein. Anschließend stellten die DPRG-Kolleginnen Sandra Pabst und Christiane Lesch vom Arbeitskreis MediaPolitics einige relevante Rahmendaten und -bedingungen vor. Darunter beispielsweise eine beeindruckende Zahl: Rund 260 Milliarden Euro sind es, die die staatliche Seite jährlich bei öffentlichen Ausschreibungen an Unternehmen vergibt. Während der Großteil dieser Summe für Bauprojekte ausgeschrieben wird, entfallen immerhin knapp 18 Prozent auf Dienstleistungen. Doch der Weg von der Bewerbung über die verschiedenen Stationen bis hin zum Sieg bei einer Ausschreibung ist durch viele Hürden gekennzeichnet. Diese hat der AK MediaPolitics identifiziert und mit Lösungsansätzen versehen.
 
Das kritisieren Teilnehmer bei Ausschreibungen am meisten
 
Sandra Pabst und Christiane Lesch präsentierten die Ergebnisse einer Umfrage des Arbeitskreises innerhalb der DPRG. Was sehen PR-Agenturen und selbstständige Kommunikationsfachleute als besonders kritisch an?
 
An erster Stelle steht der Interessenkonflikt, dem sich Agenturen und Selbstständige zu Beginn des Ausschreibungs-Prozesses gegenübersehen. Sie werden nach umfangreichen Angaben zu Umsatzzahlen und Referenzen befragt, dürfen und wollen aber diese Daten nicht immer so detailliert preisgeben, aufgrund von zuvor unterschriebenen NDAs oder der DSGOV. Dass Referenzen öffentlicher Auftraggeber als Mindestvoraussetzung genannt werden, wird als ebenso kritisch eingestuft. Unmittelbar daran schließt sich der Preis als zentrales Kriterium für einen Erfolg bei der Ausschreibung an, dicht gefolgt von der Voraussetzung, ein individuelles Kreativkonzept gratis auszuarbeiten.
 
Weitere Punkte, die besonders demotivierend auf Ausschreibungsteilnehmer wirken, ist der Eindruck, dass aufgrund der kaum zu erfüllenden Ausschreibungskriterien offenbar der Sieger im Prinzip von Anfang an feststeht, sowie die Tatsache, dass die angelegten Bewertungskriterien nicht transparent sind.
 
Echtzeit-Umfrage zeigt: Gesamtaufwand für Agenturen ist vielfach höher als das Budget
 
Während Sandra Pabst und Christiane Lesch die als kritisch identifizierten Topics vorstellten, wurden die Workshop-TeilnehmerInnen zu zwei Kernpunkten befragt:


  • „Was sind die größten Probleme für Agenturen bei öffentlichen Ausschreibungen?“ und
  • „Was hält Sie davon ab, an Ausschreibungen teilzunehmen?“


Die meisten antworteten, dass der Arbeitsaufwand im Verhältnis zum Budget nicht stimmig sei und die Anforderungen der öffentlichen Auftraggeber oftmals so hoch, dass diese schlichtweg nicht erfüllt werden könnten. Da eine Bewerbung bei einer Ausschreibung stets ein „Nebenkriegsschauplatz“, also ein Zusatzprojekt für die teilnehmenden Agenturen ist, verlangt der Arbeitsaufwand ihnen häufig zu viel Energie ab.
 
Und, wie die anschließende Diskussion zeigte, offenbar nicht nur für die Kreativleistung selbst, sondern vor allem für organisatorische Details rund um eine gültige Teilnahme: Es gilt, seitenweise verklausuliert formulierte Unterlagen korrekt auszufüllen sowie auch die IT-Technik und -Kompetenzen bereitzustellen, um die Wettbewerbsunterlagen über die gewünschten Online-Formate hochzuladen. Die Kolleginnen / Kollegen der Behördenseite berichteten von vermeintlich kleinen Fehlern, die Agenturen bei der Einreichung ihrer Unterlagen versehentlich unterlaufen waren – und die in der Konsequenz leider dazu führten, die betreffenden Agenturen von der weiteren Teilnahme auszuschließen.
 
DPRG: Mögliche Reformen des Vergaberechts
 
Um den diversen Hürden in den komplexen Ausschreibungsprozessen zu begegnen und in den konstruktiven Dialog mit öffentlichen Stellen einzusteigen, hat der DPRG Arbeitskreis MediaPolitics sechs Vorschläge erarbeitet. Diese können dabei helfen, die Regelungen für beide Seiten künftig einfacher und sinnvoller zu gestalten. Die Vorschläge wurden anschließend im Workshop diskutiert.
 
1. Lean-Management-Methode
Dieser Vorschlag berücksichtigt das spezifische Auftragsvolumen einer Ausschreibung und setzt Umfang und Art der geforderten Referenzen in ein angemessenes Verhältnis dazu. So könnte sich beispielsweise der Arbeitsaufwand für kleinere Volumina (bis ca. 30.000 Euro) in vorab definierten Grenzen halten mit dem Ziel, den teilnehmenden Agenturen eine ressourceneffiziente Bewerbung zu ermöglichen.
 
2. Barriere-Abbau
Hier geht es darum, dass künftig branchengleiche Referenzen aus der Privatwirtschaft gleichwertig mit denen der öffentlichen Hand berücksichtigt werden sollen.
 
3. Keine Etablierung von „Haus- und Hoflieferanten“
Hauptagenturen sollten in regelmäßigen Abständen gewechselt und dazu der Auftrag für Kommunikationsleistungen neu ausgeschrieben werden. Sinnvollerweise kann dies nach Ablauf einer Legislaturperiode alle fünf Jahre stattfinden.
 
4. Anforderungen an Kreativkonzepte
Mit dem Ziel, auch kleineren Agenturen ein realistisches Szenario für eine Teilnahme zu bieten, sollte über Umfang und Aufwand der geforderten Kreativkonzepte oder über eine angemessene Bezahlung dafür nachgedacht werden. Dies würde nach Meinung des Arbeitskreises helfen, die Hürden für Teilnehmer abzubauen, die unbezahlte Projektarbeit allein aufgrund ihrer Größe nicht zusätzlich leisten können – dennoch aber eine hervorragende Kreativleistung abliefern könnten.
 
5. Qualität vor Preis
Der Preis als wichtigstes oder alleiniges Entscheidungsmerkmal bei Ausschreibungen wurde intensiv diskutiert. Fest steht jedoch, dass ein Unterbietungswettbewerb weder im Interesse der teilnehmenden Agenturen noch der öffentlichen Ausschreiber sein kann – führt er doch häufig dazu, dass im Ergebnis keine hochwertige Arbeitsleistung vorliegt. Stattdessen soll, so der Arbeitskreis, die Forderung „Qualität vor Preis“ maßgeblich sein.
 
6. Stellenwert Fachkompetenz
Im gesamten Prozess soll die Fachkompetenz der Kommunikationsexperten stärker berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Dieser Punkt wurde bei der Diskussion mehrfach angemerkt und zeigt die Erfahrung, dass sich Ausschreibungsteilnehmer von Behörden oftmals nicht ausreichend respektiert fühlen. Beispiele hierfür sind intransparente Bewertungskriterien beziehungsweise keine Bekanntgabe des Gewinners nach finalem Entscheid sowie formalisierte Absagen, die als unangemessen im Verhältnis zu einer qualifizierten Bewerbung empfunden werden.
 
Zusammen sprechen und handeln, um Veränderungen zu erreichen
 
Die DPRG-Veranstaltung sowie die Initiative und Umfrageergebnisse des Arbeitskreises MediaPolitics zeigen:

Die Anforderungen der öffentlichen Ausschreibungsstellen treffen an vielen Stellen konträr auf die Interessen der sich bewerbenden Agenturen. Gleichzeitig gibt es ein Bewusstsein dafür, dass das Ausschreibungsrecht sehr komplex hinsichtlich seiner Ausgestaltung ist. Viele Aspekte werden auf europäischer Ebene geregelt, sodass auch vermeintlich kleinere Anpassungen – beispielsweise in Form von Öffnungsklauseln innerhalb der Abgabeformulare – einen hohen Abstimmungsaufwand nach sich zögen. Es zeigt sich jedoch, dass auch Vertreter der öffentlichen Hand mit der bestehenden Ausschreibungspraxis und deren Ergebnissen durchaus nicht grundsätzlich zufrieden sind.

Ein Dialog zwischen beiden Seiten ist insofern wünschenswert und hilfreich, um auf die bestehenden Kritikpunkte hinzuweisen und die unterschiedlichen Standpunkte zu klären.

Der Arbeitskreis MediaPolitics will weitere Workshops durchführen und ein Thesenpapier für die DPRG erarbeiten. Interessierte Landesgruppen und DPRG-Mitglieder wenden sich über die DPRG-App oder per E-Mail an Sandra Pabst, Leiterin des Arbeitskreises: sandra.pabst@dprg.de

Autorin: Shiloo Katja Köhnke
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Arbeitskreis

MediaPolitics

Der Arbeitskreis MediaPolitics versteht sich als Thinktank und Mitwirkungsangebot für Kommunikatoren, die wissen möchten, „worauf muss ich mich in der Zukunft einstellen, welche Fähigkeiten brauche ich?“ „MediaPolitics“ soll als Seismograf die Trends und aktuellen Herausforderungen unserer Zeit und ihre Auswirkungen auf Kommunikations- und Medienprofis erkennen und abbilden. Der thematische Schwerpunkt liegt in den aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen 4.0, wie „Kommunikation“, „Arbeitswelt“, „Frauenkarriere“ und ihre Auswirkungen auf die Branche. Geplant sind geschlossene und offene Veranstaltungsformate.
 
Kontakt: mediapolitics(at)dprg.de

Ansprechpartner

Sandra Pabst
Sandra Pabst Kommunikation


Tel.: 030-44324196