Die Rolle der PR
PR muss gerade jetzt in alle Entscheidungen eines Unternehmens von Anfang an einbezogen sein, sagt Richard Gaul. Diese Rolle muss allerdings immer wieder erkämpft und erläutert werden.
„PR in Zeiten von Corona“ – darüber scheint inzwischen fast alles gesagt und geschrieben worden zu sein: Wir wissen, wie es sich anfühlt im „home-office“; wir sind gut beraten, wie Mitarbeiter und Teams zu motivieren sind; wir haben gelernt, wie man mit Klienten umgehen sollte, die man noch nie leibhaftig gesehen hat.
Aber – es wird noch kaum thematisiert, ob und wie die Stellung und Rolle von PR in Unternehmen und Organisationen durch Corona und nach Corona einzuordnen sind. Zwar wird nach Corona beileibe nicht „nichts mehr wie es war“, wie gern in den Feuilletons spekuliert wird, aber PR als strategische Funktion gehört in diesen Zeiten durchaus zu einer gefährdeten Spezies.
Denn dies ist die Stunde der Kostenkontrolle und der grundsätzlichen Überprüfung alle Geschäfts-Aktivitäten – selbst dort, wo Corona kaum Auswirkungen haben wird, wird das Virus sicher als willkommener Anlass genommen, um Ausgaben jeglicher Art erst einmal in Frage zu stellen. Und diese Kostenkontrollen werden mit dem Auslaufen der Pandemie – und der zeitgleichen betriebswirtschaftlichen Aufarbeitung der Folgen - deutlich zunehmen. In diesen Debatten sind dann die „weichen Faktoren“ besonders gefährdet: Lässt sich doch auf den ersten Blick leicht argumentieren, dass die eine und andere Aktivität in diesen Feldern vielleicht nicht unbedingt jetzt notwendig sei, dass man sich doch „auf das Wesentliche“ zu konzentrieren habe, dass ein Aufschieben nicht gleich zu nachteiligen Effekten führen muss.
Diese Argumentation ist wohlfeil – und gerade auf dem weiten Feld der Kommunikation besonders fatal: Gerade in diesen Zeiten will der Unternehmenszweck gut und intensiv erklärt sein; gerade in diesen Zeiten müssen breite Öffentlichkeiten und kleine spezialisierte Zielgruppen besonders intensiv informiert werden. Die jetzt zurückgestellte Kampagne, der jetzt versäumte Auftritt – auf einem Kongress, in einer virtuellen Community – können nicht und niemals nachgeholt werden; die einmal versäumten Argumente werden sich später kaum noch durchsetzen. PR ist unverzichtbar, um die „licence to operate“ für ein Unternehmen zu erhalten. PR muss gerade jetzt in alle Entscheidungen eines Unternehmens von Anfang an einbezogen sein.
Dies soll kein Plädoyer sein für PR um jeden Preis, für Vorsprung durch Hektik; sinnfreie kommunikative Auftritte sind immer falsch – und waren es auch vor Corona, als für vieles das Geld verfügbar zu sein schien.
Als Teil der strategischen Unternehmensführung und -planung ist aber PR gerade in und nach der schwersten Wirtschaftskrise nach dem zweiten Weltkrieg wichtiger denn je: der Rückgang des Sozialprodukts wird inzwischen auf annähernd 10 Prozent geschätzt; die Arbeitslosigkeit wird nach Auslauf der Kurzarbeit dramatisch ansteigen. Jede strategische Entscheidung eines Unternehmens einer Organisation bedarf da der Zustimmung des eigenen Umfelds und der breiten Öffentlichkeit – eben der gesellschaftlichen Akzeptanz. Die Zeiten der einsamen Entschlüsse und der geheimen Umsetzungen sind vorbei. Diese Rolle der PR muss aber immer wieder erkämpft und erläutert werden – denn PR ist nach wie vor in vielen Organisationen noch lange nicht so selbstverständlich, wie die Feuerwehr.
Autor: Richard Gaul ist selbstständiger Kommunikationsberater und Gesellschafter bei Zehle-Gaul-Communications. Von 2008 bis 2012 war er Vorsitzender des Deutschen Rats für Public Relations. Zuvor war Gaul in der BMW-Kommunikation tätig, zuletzt als Leiter Konzernkommunikation und Politik.