Digitale Medien sind in Corona-Zeiten manchmal die einzige Möglichkeit, Anhörungen und Bürgerbeteiligungen rechtskonform durchzuführen. Welche Erfahrungen wurden damit gemacht? Die Arbeitskreise Akzeptanzkommunikation und Public Affairs nennen Vor- und Nachteile.
Es war nicht das erste und nicht das letzte Mal: eine gemeinsame Veranstaltung der beiden DPRG-Arbeitskreise Akzeptanzkommunikation und Public Affairs. Die inhaltlichen Schnittstellen sind groß; die Chemie zwischen den Mitgliedern stimmt, auch wenn das zweistündige Treffen am 29. Juni als Webex online stattfinden musste. Als Thema passend gewählt: digitale Beteiligungsformate. Für beide Kommunikationsdisziplinen, die in Stakeholder- und Nachbarschaftsdialogen eigentlich auf den persönlichen Kontakt mit ihren Zielgruppen setzen, ein in Zeiten von Corona überlebenswichtiges Instrument.
Knapp 50 Teilnehmer zeigten, dass die von den Organisatoren um Ulla Herlt, Sybille Höhne, Felix Krebber, Ulf Mehner und Minou Tikrani ausgewählten fünf Impulsreferate thematisch die Informations-Bedürfnisse der DPRG-Mitglieder getroffen haben. Fragen konnten via Chat an die Referentinnen und Referenten gestellt werden und wurden von der souverän und charmant moderierenden Ulla Herlt geschickt in die sich entspannende, rege Diskussion eingeflochten. Schnell war klar, dass digitale Medien in der Pandemie-Phase manchmal die einzige Möglichkeit sind, vorgeschriebene Anhörungen und Bürgerbeteiligungen rechtskonform durchzuführen (hier hat der Gesetzgeber schnell reagiert).
Der erste Impulsgeber Daniel Hitschfeld (navos) präsentierte sieben Thesen zu digitalen Formaten, die im April 2020 aus einer Fach-Diskussion mit Prof. Dr. Felix Krebber entstanden waren und klopfte sie auf ihren Bestand ab. Ergebnis:
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Digitale Formate in der Bürgerbeteiligung sind Ergänzung, aber nicht Ersatz für analoge Veranstaltungen.
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Sie werden spezifischer und ausdifferenzierter, verursachen aber nicht weniger Aufwand.
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Online-Veranstaltungen sorgen nicht notwendigerweise für mehr Repräsentativität, erhöhen aber – unter Einsatz von Helpdesks und Hotlines – die Bereitschaft zur Teilnahme und erreichen neue Zielgruppen (Familien, Menschen mit Einschränkungen).
Minou Tikrani (Konstruktiv PR) konnte im Anschluss über ein digitales Abendessen mit Nachbarn in Hamburg berichten, das flankierend zu einem großen Wohnungsneubauprojekt mit viel Liebe organisiert und durchgeführt wurde. Es diente als Ersatz für ein reales Abendessen, das Covid-19 wegen nicht stattfinden durfte und stieß auf größere Resonanz als die analoge Variante – inklusive neuer Zielgruppen, die daran problemlos teilnehmen konnten.
Manuel Wilmanns (BGE) berichtete von den digitalen Aktivitäten der Bundesgesellschaft für Endlagerung in Peine. Seine Botschaft:
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Digital geht einfach, analog hat aber weiter Vorrang.
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Online-Formate führen dazu, dass einige Menschen und Zielgruppen wegfallen, weil die Breitbandversorgung oder die individuelle IT-Ausstattung einfach nicht ausreichen.
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Andere Gruppen kommen dazu (siehe oben).
Johanna Härtl (Kaltwasser) gab einen Einblick in die Ursachenforschung nach einem digitalen Beteiligungsformat, das im Gegensatz zu den gewohnten analogen Veranstaltungen durch wenige und zudem noch inaktive Teilnehmer geprägt war – eine untypische Erfahrung in sonst eher emotionalen Beteiligungsprozessen.
Zu guter Letzt schilderte Hilge Kohler (Coach für Veränderungskommunikation) ihre Erfahrungen mit der Teilnahme am Hackathon #wirsindschule. 6000 Teilnehmer und 500 Experten und Coaches richteten ihre Energie darauf, gemeinsam Instrumente und Hilfestellungen zu entwickeln, die Schulen und Lehrkräften helfen, während der Pandemie guten Unterricht zu machen. Erkenntnis hier: Auch ein Hackathon eignet sich grundsätzlich als Methode der Beteiligung.
Einig waren sich die Teilnehmer am Ende über drei Dinge:
1. Digitale Formate sind nüchterner mit weniger Emotionen (im positiven wie im negativen Sinne),
2. sie lassen die "digital divide" in Deutschland deutlich zu Tage treten und sie sind es
3. wert, dass die beiden Arbeitskreise den Austausch dazu fortsetzen.
Autor: Thomas Zimmerling, Wiesbaden