Darf Kommunikation in der Corona-Krise komplexe, medizinische Sachverhalte vereinfachen? Muss sie es nicht sogar? Was wünschen sich Journalisten von Wissenschaftskommunikation? Fragen, die Zündstoff bieten, wie die Diskussion um die Kommunikation der „Heinsberg-Studie“ gezeigt hat.
40 Kommunikatoren diskutierten im Rahmen des zweiten virtuellen Stammtisches der DPRG-Landesgruppe Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland am 5. Mai darüber. Mit dabei: Zwei Gäste, die die unter dem Namen „Heinsberg-Protokoll“ bekannt gewordene Kampagne zur Studie genau verfolgen. Eva Quadbeck, stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin der Parlamentsredaktion der Rheinischen Post in Berlin; Uwe Kohrs, Chairman der GPRA sowie Mitglied des Deutschen PR-Rates, der die Kampagne zurzeit prüft. Moderiert wurde das digitale Event von Matthias Dezes, Dezes Public Relations, und Anne Tessmer, Seniorberaterin bei JP│KOM.
Wie kam es überhaupt soweit? Zum Hintergrund: Die Landesregierung NRW beauftragte den Virologen Hendrik Streeck mit einer Studie zur Verbreitung des Coronavirus im Kreis Heinsberg. Die Kommunikation auf Facebook und Twitter unterstützte die Agentur "Storymachine". Im Laufe der Zusammenarbeit wurden kritische Stimmen immer lauter. Der Vorwurf von Propaganda und mangelnder Transparenz stand im Raum. Wer war Auftraggeber? Wer hat die Agentur bezahlt? Welche Motive standen im Vordergrund?
Quadbeck vermutet hinter dem Engagement der Agentur den Versuch, sich in der Gesundheitskommunikation zu profilieren. Kohrs weist auf ein anderes Problem hin: Seiner Meinung nach sollte Wissenschaftskommunikation nicht genutzt werden, um eigene Interessen über die der Gesellschaft zu stellen. Nicht boulevardeske Inhalte, sondern wissenschaftliche Fakten sollten immer an erster Stelle stehen, gerade bei einem gesellschaftlich so relevanten Thema wie der Corona-Krise.
Da ein Stammtisch, ob offline oder digital, auch immer vom Austausch lebt, lockerten Fragen die Diskussion auf. Eine Umfrage unter den Teilnehmern zeigte: Als Hauptproblem der Kampagne wird klar die mangelnde Transparenz gesehen. Die Reputation der Kommunikationsbranche hängt schließlich von Transparenz ab. Eigene Interessen oder Auftraggeber müssen klar ersichtlich sein.
Neben Transparenz wünscht sich Quadbeck von Wissenschaftskommunikatoren eine hohe fachliche Expertise. Schließlich sollten sie in der Lage sein, für Journalisten komplexe Sachverhalte umfassend „übersetzen“ zu können – ohne dabei Fakten zu vernachlässigen.
In der anschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass gerade jetzt der Bedarf an professioneller Kommunikation hoch ist. Das bedeutet auch Verantwortung. Denn Kommunikation kann Sicherheit geben – und Stimmungen kippen. Die Unterstützung von Wissenschaftlern durch Medienprofis ist dabei durchaus sinnvoll.
Das Fazit:
Voreilige Kommunikation schafft Unsicherheit, vielmehr sollte gerade in Corona-Zeiten faktenbasiert und transparent kommuniziert werden. Die Teilnehmer des Stammtisches wollen die Entwicklungen um das „Heinsberg-Protokoll“ weiterhin verfolgen: Gerne mehr dazu, ruhig auch im Gespräch mit den Beteiligten des „Heinsberg-Protokolls“.
Hinweis:
Dieser Beitrag wurde zuerst
im JP│KOM-Blog veröffentlicht. Autorin: Isabella Grünberger