Bevor Wein zu Wein wird – DPRG bei der Weinlese auf Schloss Wackerbarth
Bergrunter und berghoch, mit Eimer - und immer wieder eine neue Zeile. In den sächsischen Steillagen bei Radebeul schauten DPRG-Mitglieder den Winzern über die Schultern. Und packten selber mit an.
Diesmal war die „DPRG vor Ort“ wirklich mal ganz anders. Nicht nur zuhören, anschauen und diskutieren, sondern selbst anpacken und dadurch ganz praktisch erfahren, was es heißt, in den sächsischen Steillagen die Trauben für einen besonderen Wein zu ernten; zu lesen wie es in der Winzersprache heißt.
Schon der Aufstieg auf den Wackerbarthberg – direkt hinter Schloss Wackerbarth gelegen – lässt mich außer Puste geraten. Es ist noch recht früh für einen Samstag. Zum Glück ist es trocken an diesem Tag, denn bei Regen lesen die Winzer aus Qualitätsgründen nicht.
Oben angekommen bietet sich ein herrlicher Blick über das Elbtal – bis nach Dresden und sogar noch weiter bis zum Elbsandsteingebirge reicht der Blick. Die Sonne scheint und ich schwelge in der Schönheit des Augenblicks. Aber nicht zu lange, denn Till Neumeister, der Weinbauleiter von Schloss Wackerbarth erzählt mit ansteckender Begeisterung vom Weinbau und überrascht mich mit einigen Details.
Heute sitzen die Rebsorten wie Riesling, Burgunder etc. alle auf amerikanischen Wurzeln. Denn diese sind resistent gegen die Reblaus, die Mitte des 19. Jahrhunderts als blinder Passagier aus Amerika nach Europa einreiste und hier große Teile der Rebstöcke zerstörte. Eine echte Reblauskatatrophe für die damaligen Winzer, die nur mit veredelten Pfropfreben erfolgreich gemeistert werden konnte.
Die Wurzeln der Weinreben können bis zu 10 Meter tief in die Erde gehen und speichern Wasser bis zu einem Jahr. So ist beim Klimawandel auch nicht der ausbleibende Regen das größte Problem, sondern die steigenden Temperaturen setzen den Weinstöcken und dem Laub zu.
Einige Wasserschläuche gehen durch den Weinberg, werden aber nur selten genutzt, denn "ein Weinstock ist wie ein Kind, wenn man ihn verwöhnt, wird er faul", sagt zumindest eine alte Winzerweisheit. Inzwischen zieht auch die digitale Technik in den Weinberg ein: mit Drohnen wird zum Beispiel die Temperatur auf den Blättern gemessen. Den Zeitpunkt für die Lese entscheidet aber dann immer noch der Winzer selbst, indem er unter anderem die aromareife der Trauben überprüft. Er verkostet die Beeren und kaut dabei auf der Traubenschale, denn dort sitzt der Geschmack. Und er prüft, ob die Rebsorte eben bereits den typischen Geschmack entwickelt hat.
Aber genug geredet, jetzt wird es ernst. Heute ist der Riesling für eine Spätlese dran. Es gibt dünne Handschuhe, eine spezielle Lese-Schere und einen Eimer für jeden. Dann werden wir aufgeteilt, sieben Leute in eine Zeile. Nicht nur wir Laien sind auf dem Berg, sondern auch die Winzer und Lesehelfer, alle im Wackerbarth-CD, Westen oder Jacken gekleidet. Jeder hat einen Abschnitt und sucht dort die Trauben unter den Blättern, schneidet sie ab und wirft sie in den Eimer. Und dann schwirren fröhlich deutsche und fremdsprachige Sätze durch die Morgenluft. Eine entspannte Stimmung.
Mein Eimer füllt sich am Anfang noch nicht so schnell, denn so viele Trauben hängen an den jungen Rebstöcken noch nicht. Ich bin etwas enttäuscht. Doch das ändert sich später bei den älteren Rebstöcken. Und fast hätte ich die verschrumpelten, braunen Trauben aussortiert. Aber halt, diese scheinen mit das Beste zu sein. Sie sind natürlich rosiniert – also Rosinen – bei denen sich das Aroma konzentriert. Bei Weinversteigerungen erzielen Weine aus diesen Beeren mit die höchsten Preise.
Auch Kommunikationsleiter Martin Junge ist einmal im Jahr mit auf dem Weinberg und liest mit. Er motiviert mit der Aussicht auf die nächsten, dicht behangenen Zeilen. Und da wird es dann tatsächlich anspruchsvoll und steiler. Die Rebzeilen sind teilweise so steil, dass schon der Weg den Berg hoch und runter anstrengt. Dort füllt sich dann auch mein Eimer viel schneller. Ein Träger mit einer Bütte sammelt die Trauben und bringt diese anschließend zu einer Sammelbehälter am oberen Ende des Berges. Pro Tour trägt er zwischen 40 und 50 Kilogramm auf dem Rücken. Schwerstarbeit. Wow, jetzt komme auch ich wirklich ins Schwitzen. Bergrunter und berghoch, mit Eimer und immer wieder eine neue Zeile. Aber irgendwann haben wir es geschafft und genießen alle zusammen unser Mittagessen gleich auf dem Berg bei fantastischer Aussicht. Resümee: Eine spannende Erfahrung in wunderschöner Umgebung, aber wie die Winzer von Schloss Wackerbarth zwei Monate lang fast jeden Tag lesen – das möchte ich dann doch nicht.
Bei der anschließenden Führung schnappe ich noch ein paar Fakten zum Schloss und Weingut auf. Von August Christoph Graf von Wackerbarth, der 1727-30 den Bau der barocken Schloss- und Gartenanlage in Angriff nahm, vom ältesten bekannten Glühwein-Rezept Deutschlands, von der Sekttradition der Region und der Auszeichnung als „Bester Sekterzeuger Deutschlands, von Wackerbarth-Ständen auf Weihnachtsmärkten im Osten Deutschlands, 600.000 produzierten Wein- und Sektflaschen pro Jahr, dem Engagement als Botschafter der sächsischen Weinkultur, dem ersten Erlebnisweingut Europas und vielem mehr. Ja, auch über die Manufaktur, Oechsle, Reifegrad, Weinkomposition, Sektherstellung durch professionelles Flaschendrehen – dem Rütteln – könnte ich noch erzählen, aber eigentlich ist es am besten, wenn man sich das selbst anschaut. Ein Erlebnis für alle Sinne eben.
Autoren:
Jana Gaudich, Hochschule Mittweida, und Martin Junge, Pressesprecher Staatsweingut Schloss Wackerbarth, beide sind Beisitzer im Vorstand der Landesgruppe Sachsen